Montag, 1. Mai 2017

Politischer Exkurs und Ausflug in die Natur

2017 ist Superwahljahr in Kenia, neben dem Präsidenten und Parlamentsmitgliedern stehen deshalb Anfang August auch Gouverneure, Senatoren und Bezirksregierungen zur Wahl für 47 verschiedene Counties. Kenias Wahlspruch lautet "Harambee", was auf Kiswahili soviel bedeutet wie " Lasst und zusammenstehen". An einem Strang zieht hier aber sprichwörtlich keiner, vor allem nicht zum Wohle der gesamten Bevölkerung, das habe ich hier in der kurzen Zeit schon bemerkt.

Vor 10 Jahren, 2007 starben nach den Ereignissen bei den Präsidentschaftswahlen 1500 Menschen, eine halbe Million floh in andere Landesteile , wurde vertrieben oder zwangsumgesiedelt. Grund waren Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen. So verschwanden Wahlhelfer mit Stimmzetteln, in einigen Landesteilen würde eine Wahlbeteiligung über 100% erreicht oder die Wahlkomission korrigierte Zahlen nach eignem Befinden und Ermessen nach oben oder unten. Der Vorwurf der Wahlfälschung bei einem am Ende mehr als knappen Ergebnis stand also im Raum. Zwar hat es danach eine Wahlrechtsreform und sogar eine Verfassungsänderung gegeben, viele befürchten trotzdem, dass es diesen Sommer wieder zu Ausschreitungen zwischen Anhängern der Parteien kommt.

Als aussichtsreichster Kandidat gilt der derzeitige Präsident Uhuru Kenyatta, ältester Sohn des ersten Präsidenten der Republik. Nachdem 2014 die Anklage gegen ihn wegen Anstiftung zum Völkermord bei den Ausschreitungen 2007 fallen gelassen wurde, hat sich die Lage seiner Parteiallianz "Jubilee" stabilisiert. Aus Mangel an Beweisen wurde das Verfahren eingestellt. Auch, weil eine Vielzahl von Zeugen im Prozessverlauf ihre Bereitschaft zur Aussage auf Grund von Drohungen oder Bestechung zurückgezogen haben. Auf der Gegenseite wird Raila Odinga (der aufmerksame Blogleser kann den Namen mit meinem Museumsbesuch zu Ostern verbinden) die Opposition ins Rennen führen. Mit 71 Jahren ist er nicht mehr der Jüngste und nach zwei gescheiterten Wahlversuchen gilt es als strittig, ob er im Fall einer erneuten Niederlage das Ergebnis anerkennt und seine Anhänger zu Ruhe aufrufen kann.
Und so treten auch in diesem Jahr zwei Vertreter großer Politikerdynastien an. Im Allgemeinen hat eine Parteizugehörigkeit hier sowieso wenig mit unabhängigen Interessen und festgelegten Programmen zu tun, als vielmehr mit der Zugehörigkeit zu einer der über 40 verschiedenen Ethnien, die im Land leben. Das führt dazu, dass politische Verantwortung personenkonzenzriert ist und weniger dem Gemeinwohl dient. So wird aber auch vorbeiregiert an den zahlreichen Herausforderungen, die es im Land gibt: infrastrukturelle Probleme, der beschränkte Zugang zum Bildungs- und Gesundheitswesen oder auch die Höhe Jugendarbeitslosigkeit.

Die Wahlvorbereitungen beginnen in Kenia schon recht zeitig. Unter anderem mit der Registrierung der Wähler oder auch den Nominations, bei denen die Parteien ihre Kandidaten wählen lassen, die im August antreten sollen. In den letzten Wochen haben in verschiedenen Counties hier diese Nominations stattgefunden. Und was soll ich sagen, es war zum Großteil ein heilloses Durcheinander. Termine dafür wurden verschoben, weil Wahlurnen und Stimmzettel nicht rechtzeitig angekommen waren. Wahlen mussten wiederholt werden, weil nicht alle Namen auf den Stimmzetteln standen. Unterschiedliche Ergebnisse wurden von verschiedenen Vertretern unabhängig voneinander und viel zu zeitig bekannt gegeben. Oder die Anzahl der abgegebenen Stimmen bei der Wahl der verschiedenen Posten stimmte nicht überein. Von einem fehlerfreien Ablauf, den eine unabhängige Wahlkommission gewährleisten soll, kann also absolut nicht die Rede sein. Hat jetzt bei den Vorwahlen ein Kandidat sein Ziel nicht erreicht, dann kann es auch sein, dass er eine neue Partei gründet, zu einer der 60 anderen wechselt oder als unabhängiger Kandidat antritt, um beispielsweise noch eine Chance auf einen Sitz im Parlament zu haben. Es ist wenig verwunderlich, dass es nach den Nominations in zahlreichen Counties zu Ausschreitungen gekommen ist.
Hier in Kisumu wurde nach Verzögerung dann am letzten Dienstag gewählt. Bis Mittwoch Morgen war nicht ganz klar, wie die Lage nach Bekanntgabe der Ergebnisse einzuschätzen sein würde. Früh war es aber relativ ruhig, sodass ich mich trotzdem auf den Weg ins Krankenhaus gemacht habe. Laut Aussage von Dan und Lavender wäre ich da bei Ausschreitungen wieso am sichersten. Glücklicherweise hielt sich die Gewalt jedoch in Grenzen. In einem Stadtteil, durch den ich mit dem Matatu auf meinem Arbeitsweg immer muss, sind zwar wohl Steine geflogen und es hat gebrannt, aber es gab keine Verletzten. Auch die Polizei, die in anderen Landesteilen schon mit Wasserwerfern, Schlagstöcken oder geladenen Waffen am Start war, musste hier nicht eingreifen. Und so bin ich am Nachmittag ohne Zwischenfälle wieder zu Hause gelandet. Mehr als froh darüber, dass alles so glimpflich abgelaufen ist.

Auch Hassreden sind ein probates Mittel der Politiker, um die verschiedenen Ethnien gegeneinander in Stellung zu bringen, was auf Grund der mangelnden Bildung gut funktioniert. So sollten sich zum Beispiel während der Nominations hier in Kisumu alle Angehörigen anderer Volksstämme als der Luo lieber nicht außerhalb des Hauses blicken lassen. Besteht auch nur der Verdacht, weil man "heller" ist als die Anderen oder man den hiesigen Dialekt nicht sprechen kann, dann drohen einem nicht nur Schläge. Schade, dass man aus den Vorkommnissen der letzten Jahre nichts gelernt zu haben scheint! Ich bin ganz froh Anfang August nicht mehr im Land zu sein, bei einer Wahl, die schon jetzt ihre Schatten vorauswirft. Wenn vorher Hamsterkäufe getätigt werden müssen, damit man im Notfall einen Monat das Haus nicht verlassen muss, falls es zu gewaltsamen Ausschreitungen kommt, dann hat das jedenfalls wenig mit meinem Verständnis von Demokratie zu tun.
Es ist also eher weniger die Frage, wer die Wahl im Sommer gewinnt, sondern ob es dieser Person gelingt, unabhängig von Stammeszugehörigkeiten den Frieden danach im Land zu gewährleisten. Ethnische Vielfalt sollte als Bereicherung und nicht als Bedrohung angesehen werden. Etwas, das auch einige Deutsche verinnerlichen sollten!

Doch genug von Politik, schließlich erzähle ich ja immer großmütig, dass Kisumu am Viktoriasee liegt. Von dem hatte ich bisher aber nur von Weitem etwas gesehen. Am Samstag dann machten wir uns zum Mittag auf ins Tilapia Brach Resort. Der Name versprich viel, was die spärliche Ausstattung aber nicht halten kann, doch daran habe ich mich bereits gewöhnt, denn der servierte Fisch entschädigt für alles. Nur der Ausblick auf den See ist anders als erwartet - man sieht ihn nämlich nicht. Wasserhyazinthen überwuchern alles. Doch die Enttäuschung währt nicht lange, machen wir uns anschließend auf zum Hippo Point, der ein bisschen außerhalb der Stadt liegt und an dem man, wie der Name schon verraten lässt, auch Nilpferde sehen soll. Doch auch da weit und breit kein Wasser zu sehen. Auf Nachfrage ist zu erfahren, dass sich seit Dezember letzten Jahres die Lage so drastisch verschlimmert und sich das Wasser "zurückgezogen" habe.

Fotoshooting am "See"

Wie man sieht, sieht man nichts

Zu Hause angekommen, lese ich mich ein bisschen ein. Schon in den letzten Jahren war diese traurige Entwicklung abzusehen. Durch hohen Wasserverbrauch und starke Verdunstung hat der Wasserpegel des drittgrößten Sees der Welt dramatisch abgenommen. Das Aussetzen von Nilbarschen, einem großen Raubfisch, führte seit den 60er Jahren zum Aussterben ansässiger Fischarten. Den Menschen, die am See und vom Fischfang leben, wird so kontinuierlich die Grundlage entzogen. Auch die Vermehrung der Wasserhyazinthen seit den 90ern trägt dazu bei, da sie den Fischen den nötigen Sauerstoff rauben. Mehr als 40% des Uferbereichs bedecken diese Schlingpflanzen bereits. Es sieht also nicht gut aus. Und wenn nicht bald Lösungen für die bestehenden Probleme gefunden werden, dann droht die Austrocknung des Sees.
Ob ich ihn bei einem Ausflug in den nächsten Wochen, der uns ein bisschen weiter von der Stadt wegführt, noch einmal in seiner ganzen Schönheit bewundern kann, wird sich zeigen.

Wenn wir mit dem Auto unterwegs sind, dann sieht man immer mal wieder kleinere oder größere Bananenplantagen. Es gibt nicht nur die Bananen, die wir aus dem Supermarkt kennen, sondern auch Minibananen oder in allen anderen erdenklichen Größen. Diese wachsen an Stauden, werden grün geerntet und dann in die ganze Welt verschifft. Oder eben hier an den kleinen Straßenständen verkauft. Einen Banane kostet meist nicht mehr als 10 Center - ein Schnäppchen also. Und nirgendwo schmecken sie so süß wie hier - himmlisch.
So eine Bananenstaude trägt übrigens nur einmal in ihrem Leben Früchte, danach stirbt sie ab. Vorher werden aber noch Schösslinge gebildet, die sich wieder zu Stauden entwickeln, da Banenn ja bekanntlich keine Samen haben - Vermehrung gibt's also nur durch Teilung. So eine Stauden kann, je nach Sorte, übrigens bis zu 6 Meter hoch werden.


Doch genug geklugscheißert. Mein Highlight zum Labour day- ja auch hier ist heute Feiertag gewesen (wenn man es auch nicht gemerkt hat), war ein Kinobesuch. Das einzige Kino der gesamten Stadt hat erst vor zwei Jahren geöffnet und zeigt neben Bollywoodfilmen auch aktuelle Hollywoodfilme. Zwar mussten wir auch hier mit Lavender Hürden überwinden - zur ausgegebenen Zeit wurde der Film nicht gezeigt, also kamen wir abends nochmal wieder & dann war auch noch die Leinwand kaputt, sodass wir den Saal wechseln mussten - aber letztendlich konnte ich ihr mit einer Einladung zu ihrem allerersten Kinoerlebnis jemals eine große Freude machen. Für mich etwas selbstverständliches, so war für sie alles neu. Aber bei nur 4,50€ auch am Feiertag, war das sicher nicht unser letzter Besuch!

Da ein Großteil der Ärzte hier seit letztem Freitag wieder streikt, weil die Regierung sie seit Ende Dezember nicht mehr bezahlt hat, ist es auf Arbeit gerade eher ruhig. Mehr dazu und zu kenianischen bzw. afrikanischen Gepflogenheiten dann in einer Woche...

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