Sonntag, 28. Mai 2017

Meine Woche mit Babys, Pharmavertretern und Tieren

Die Zeit vergeht wie im Flug – mittlerweile ist schon die zehnte Woche im Krankenhaus um.
Seit zwei Wochen bin ich auf der Wochenstation.

Oben zu sehen ein Teil der Wochenstation unten die gynäkologische Abteilung - mit Frischluftgarantie

Doch hier liegen nicht nur die Patientinnen nach einer normalen Geburt, sondern auch Frauen, die einen Kaiserschnitt hatten und kranke Schwangere. Dabei sind es ganz unterschiedliche Fälle, die man zu Gesicht bekommt, das reicht von Malaria und Bluthochdruck über Harnwegeinfektionen bis hin zur drohenden Frühgeburt. In 10 Räumen mit jeweils sechs Betten liegen dann die Patientinnen – nach der Geburt zusammen mit ihren Babys in einem Bett. Einen extra Raum für die Neugeborenen gibt es nicht. Bei so vielen kleinen Schreihälsen in einem Raum kann die Nacht dann schonmal ziemlich kurz werden. Nicht jede Mama hat ihr Baby aber bei sich – ist der Start ins Leben ein bisschen schwieriger gewesen, dann sind die Kleinen auf der Neugeborenenstation, wo sie bestmöglich versorgt werden. Dabei stehen aber nicht alle Mittel wie auf einer Intensivstation wie bei uns zur Verfügung. Während in Deutschland Frühgeburten ab der 24. Woche eine Überlebenschance haben, steigt die hier erst ab der 30. Woche – doch ein ziemlich großer Unterschied, der über Freude oder Leid entscheiden kann. Das Krankenhaus macht den neuen Erdenbürgern keine großen Geschenke, wie es sie manchmal bei uns gibt - ob ein Schlafsack oder Strampler. Das wäre bei einer Geburtenzahl von ca. 400 pro Monat auch ein bisschen zu teuer. Allerdings verteilt eine Schwester jeden Morgen eine Pampers. Auch hat nicht jede Familie das Geld für die neuste und hippste Babyausstattung und so muss das Neugeborene auch oft die viel zu großen Sachen seiner Geschwister auftragen.
Insgesamt sind es zwar mehr Patientinnen, die man kennen muss, es ist aber ein ruhigeres Arbeiten. Morgens sind wir meist erst gegen halb 9 da, weil vorher die Schwestern noch die Akten zur Übergabe haben. Die Visite ist in drei Stunden erledigt, dann schreibt man die Entlassungen. Keine im Computer verfassten Briefe wie in Deutschland, sondern eine A4 Seite, auf der die wichtigsten Patientendaten stehen und auf fünf Zeilen kurz das Geschehen zusammengefasst wird, zusammen mit der Entlassungsmedikation. Danach noch Blutentnahmen oder andere Untersuchungen und dann ist der Großteil der Arbeit schon getan. Es bleibt also genug Zeit auch mal ein kleines Pläuschchen zu halten und meist bin ich auch überpünktlich wieder zu Hause.
Ich habe bemerkt, dass hier ziemlich schnell Antibiotika verordnet werden. Mich würde es nicht schwer wundern, wenn viele der Menschen bereits Resistenzen entwickelt haben. Auf Nachfrage ist mir die Erklärung dafür nicht immer ganz schlüssig, aber diese Routine wird man wohl nur schwer durchbrechen können.

Von einer Sache bleibe ich jedoch auch hier nicht verschont – den gemeinen, oft nervigen Pharmavertreter gibt es auch in Kenia. Und wo ist wohl ein besserer Platz die meisten Ärzte abzufangen, als wenn sie alle zum Mittagessen zusammensitzen. Mit einem tollen Büchlein werden die Vorteile der neusten Medikamente angepriesen – für mich nichts Neues, ich kenne diese Mittel alle schon aus Deutschland. Danach muss jeder seine Telefonnummer angeben und verpflichtet sich die angepriesenen Medikamente in einer bestimmten Stückzahl zu verschreiben. Anschließend gibt’s noch einen Kulli, das Mittagessen und ein Erfrischungsgetränk spendiert – diese schleimige Vorgehensweise ist wohl überall auf der Welt die Gleiche.

Immer an den Tagen, wenn die große Visite mit den Oberärzten stattfindet, sieht man auch die Studenten auf Station. Mittlerweile kennt man die Gesichter und kommt auch mal ins Gespräch. Viele hören interessiert zu, wenn ich habe erzähle, wie das Studium bei uns in Deutschland ist, was die Unterschiede zum hiesigen Gesundheitssystem sind und wie die Jobchancen danach so stehen. Oft werde ich dann auch gefragt, ob ich Stipendienprogramme kenne und vermitteln kann. Spätestens wenn ich aber sage, dass man gut Deutsch sprechen muss, um in Deutschland zu arbeiten, ist das Interesse ganz schnell wieder verpufft. Wenn mir aber eine Studentin erzählt, dass sie nach der Beendigung ihres Studiums lieber im Büro arbeiten will, als ihn einem Krankenhaus der Regierung, weil die Verhältnisse einfach schlecht sind, dann gibt das einem doch schon zu denken. Das ist, als ob ein Lehramtsstudent nach abgeschlossenen Studium lieber im Schulamt arbeiten will, als in einer Schule. Aber gut, das sind Entscheidungen, die jeder selber treffen muss.

Darüber, dass ich die hiesige Krankenhausversorgung noch nicht austesten musste, bin ich mehr als glücklich. Die Moskitos scheinen mich zu lieben, das ist also nicht selbstverständlich. Als es mich letzte Woche mit einer fetten Erkältung dahingerafft hatte und das Thermometer auch noch 37,5°C angezeigte, wurde ich mal kurz panisch, ob nicht auch Malaria im Spiel ist. Bei der einmaligen Temperaturerhöhung ist es aber geblieben und so konnte verschwand die Erkältung so, wie sie gekommen war. Ein Kollege wollte mir gleich Antibiotika beschreiben, darauf konnte ich dankend verzichten.

Wenn wir uns  mal was Gutes tun wollen, dann gönnen wir uns irgendwo in der Stadt einen frischen Mangosaft – himmlisch. Ganz unverdünnt und ohne Zucker oder andere künstliche Zusätze. Das werde ich zurück wohl in Deutschland sehr vermissen. Ich könnte mich nur von Obst ernähren. Und so genieße ich es jedesmal in ein saftiges Stück einer riesigen Melone zu beißen oder mir nach der Arbeit ein Stück Ananas zu gönnen, das ich für nur ca. 10 Cent frisch geschnitten bekomme.

Abends auf einen frischen Mangosaft

Einmal die Woche Essen wir meist außerhalb – immer im gleichen „Restaurant“ und oft auch das Gleiche. Eine Karte gibt es nicht, das Angebot ist auf Hühnchen- und Ziegenfleisch, frisch auf unterschiedliche Art und Weise zubereitet, beschränkt, mit Ugali oder Pommes als Beilage. Manchmal sehne ich mich dann doch nach der Vielfalt an Nahrungsmitteln in Europa zurück. Ziegenfleisch habe ich mal probiert und das schmeckt gar nicht so schlecht wie gedacht – eher süßlich. Als ich auf Nachfrage berichte, dass es zwar in Deutschland auch Ziegen gibt, wir aber deren Fleisch in der Regel nicht essen, ernte ich Lachen und Kopfschütteln. Also Frage ich mich – warum eigentlich nicht? Die Antwort ist wohl, dass so eine Ziege nicht furchtbar viel Fleisch abwirft.

Allgemein ist das mit der Tierhaltung hier in Kenia so eine Sache. Ist man auf der Straße unterwegs, dann kann es auch passieren, dass einem ein paar Rinder, Schafe oder Ziegen vors Auto laufen oder gemütlich ein Päuschen mitten auf der Straße machen.


Die Tiere werden früh aus ihrem Gatter gelassen und müssen sich den Tag über dann selber kümmern, wie sie zu Futter kommen, wenn sie überhaupt jemandem gehören. Dass dabei auch oft im rumliegenden Müll an der Straße gewühlt wird, macht die Sache nicht unbedingt besser. So dürr und krank sehen einige von ihnen auch aus. Wie sie abends den Weg wieder nach Hause finden, ist mir ein Rätsel. Auf den Dörfern sieht man dann einzelne Tiere auch mal an einer langen Leine oder zusammengetrieben von einer Art Hirten. Tierschutz ist hier aber eher ein Fremdwort auch in der Stadt sind Hunde und Hühner in einem kleinen Kabuff eingesperrt und werden nach Belieben nach draußen gelassen. Manchmal stellen sich da echt meine Nackenhaare auf.

So werden die Hühner verkauft...

...und so im Matatu nach Hause transportiert

Die nächste Arbeitswoche wird kurz – am 1. Juni ist Nationalfeiertag. Da das auf einen Donnerstag fällt, war ich so frei mir den Freitag danach auch freizunehmen. Ich habe nochmal einen Trip nach Nairobi geplant. Nachdem ich das letzte Mal ja nur wegen der Verlängerung meines Visums da war, habe ich mir vorgenommen diesmal auch was von der Stadt zu sehen. Davon kann ich euch dann hoffentlich nächste Woche berichten…

Den Beitrag von letztem Sonntag über die Charityaktion haben bis jetzt übrigens mehr als 850 Leute gelesen. Wenn auch nur ein Bruchteil davon auch ein bisschen Geld spendet, würde mich das schon sehr glücklich machen - also werdet aktiv!

Samstag, 20. Mai 2017

Halbzeit - Hilfe für Kenia

70 der 140 Tage hier in Kenia sind seit Freitag vorbei. Es wäre also an der Zeit ein kurzes Fazit zu ziehen. Das möchte ich jedoch auf das Ende meiner Reise verschieben – wer regelmäßig meinen Blog liest, der hat einen guten Eindruck davon bekommen, wie es mir hier so ergeht und was ich bisher erlebt habe.


Viel lieber möchte ich euch auf ein Projekt aufmerksam machen, das mir sehr am Herzen liegt:

"Charititour de France": Konrad Krahl, Sebastian Domaschke, Roland Salowsky und Sebastian Schnabel – vier Freunde aus meiner sächsischen Heimat Wittichenau und den umliegenden Dörfern – teilen sie Leidenschaft mit dem Fahrrad die Welt zu erkunden. Sie sind stets auf der Suche nach interessanten Orten in Verbindung mit sportlichen Herausforderungen und unvergessliche Erlebnissen. Wer macht schon gerne Pauschalurlaub ;-)?! In diesem Jahr haben sich die vier Jungs vorgenommen, im Juli die über 3500 Kilometer lange Strecke der diesjährigen Tour der France auf ihrem Rennrad zurückzulegen. Verrückt mag man meinen ja, das ist es wohl auch ein bisschen. Wer quält sich schon freiwillig bei Wind und die Wetter auf Berge mit einer Steigung von bis zu 22% oder lebensgefährliche Abfahrten, bei denen selbst Radprofis an ihre Grenzen stoßen?!


Doch damit nicht genug – zusätzlich haben mich die Vier angesprochen, um mit ihrer Fahrt ein Hilfsprojekt hier vor Ort zu unterstützen. Wer meine Reise nach Kenia von Anfang an verfolgt hat, der weiß, dass mein Aufenthalt hier über den Verein „On the move e.V.“ erst möglich wurde. Dieser gemeinnützige Verein, der unter anderem vom Hoyerswerdaer Medizinstudenten Rick Wolthusen, gegründet wurde, sendet nicht nur Freiwillige in unterschiedliche Länder Afrikas und  engagiert sich für ausgewählte Projekte im Gesundheits- und Bildungssektor in Ghana, Südafrika und Kenia. Sondern die Organisation unterstützt auch die Brain Awareness Initiative. Und genau dahin sollen die Spendengelder fließen, die wir hoffentlich durch eure Bereitschaft und die Fahrradtour der Jungs sammeln können.

Doch was genau bedeutet das? Ziel dieser Initiative ist, das fehlende Verständnis für psychiatrische Erkrankungen anzugehen. Der Hintergrund ist der niedrige Wissensstand der Bevölkerung bezüglich des Gehirns, sowie der damit verbundenen Stigmatisierung und der soziale Ausschluss psychisch Erkrankter, besonders in Entwicklungsländern. Durch Aufklärung und Vermittlung von Wissenslücken sollen diese Stigmata abgebaut und eine bessere medizinische Versorgung von Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen erreicht werden. Psychisch Kranke sollten, genau wie jeder andere Patient auch, mit Liebe und Zuwendung behandelt werden. So soll der unvoreingenommene Austausch über das Gehirn gestärkt werden, denn das Gehirn ist ein Organ wie jedes andere, das krank werden kann – es kann uns alle betreffen.

Bildung ist also der Schlüssel um diese Verhältnisse zu verändern. Nachdem im Herbst 2016 in Kenia das Konzept der Brain Awareness Week zur Aufklärung über das Gehirn und psychische Erkrankungen erfolgreich initiiert wurde, soll dieses nun durch ein "Haus der psychischen Gesundheit" nachhaltig gestaltet werden. In diesem werden in den ersten Monaten nach der Entstehung vor allem Ausbilder des Vereins (Sozialarbeiter, Lehrer, Krankenschwestern, Amtsärzte), die die Brain Awareness Aktivitäten in den Gemeinden gestalten, unterrichtet. Dafür sollen Unterrichtsräume inkl. Materialien (Gehirnmodelle, Poster, Arbeitsblätter) und eine Bibliothek mit Zugang zu einem internetfähigen Computer bereitgestellt werden. Langfristig sollen diese Räume auch für die Bevölkerung zugänglich sein, damit sich diese aktiv über das Gehirn, (Neuro-) wissenschaften und psychiatrische Erkrankungen informieren kann. Damit soll auch ein Ort der Begegnung und des Austausches, wissenschaftlich und erfahrungsbasiert, zwischen allen Beteiligten entstehen und gefördert werden. In einem zweiten Schritt sollen zudem Räume für psychiatrische Patienten geschaffen werden. Auf lange Sicht sollen betroffene Patienten ausgebildet und umgeschult werden, um diese dann in eine Beschäftigung zu bringen. Im „Haus der psychischen Gesundheit“ sollen dementsprechend Räume für die Ausbildungsaktivitäten sowie ein Laden entstehen, zudem soll ein Raum als Ruhe- und Therapieraum genutzt werden können. Das Behandlungskonzept psychiatrischer Erkrankungen basiert nicht nur auf einer medikamentösen Therapiesäule, sondern, je nach Diagnose, vielmehr auf Gesprächs- sowie Physio-, Ergo, Gestaltungs- und Musiktherapie.

Die Spendengelder, die durch das Quartett im Rahmen der Fahrradtour in diesem Sommer gesammelt werden, sollen für die Anmietung einer Immobilie sowie für die Ausstattung (wie oben ausgeführt) dieser verwendet werden. Zudem ergibt sich durch die mediale Begleitung des Events die außerordentliche Gelegenheit, auf die vorherrschenden Stigmata psychiatrischer Erkrankungen in Afrika, aber auch in Deutschland, aufmerksam zu machen und Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen damit eine Stimme in der Gesellschaft zu geben.

Hier noch ein paar Hintergrundinfos zur Lage in Kenia: Im ganzen Land gibt es nur 11!!! tätige Psychiater. Im Vergleich dazu liegt in Deutschland die Quote bei 1 zu 6250. Allein in Berlin gibt es 730 Ärzte für Psychiatrie und Psychotherapie. Theoretisch ist also ein Psychiater hier in Kenia für rund 4,32 Millionen Menschen zuständig. Theoretisch. Denn das psychische Probleme überhaupt von Psychologen und Psychiatern behandelt werden, ist in vielen Teilen Afrikas noch immer die große Ausnahme, besonders in den ländlichen Gegenden. Es ist erschreckend, wie erbärmlich psychisch Kranke hier immer noch leben. Sie werden als „Nicht-Menschen“ angesehen, keiner will ihnen Arbeit geben. Sie sind Ausgestoßene, weil bestimmte Geisteskrankheiten und Behinderungen hier immer noch als Stigma gelten - so wie in früheren Jahrhunderten in Europa. Gründe für solche Krankheiten werden oft im Übersinnlichen gesucht oder als böser Zauber oder teuflischer Einfluss abgestempelt. Jede Art von Behinderung, ob körperlich oder geistig, wird von den Menschen hier oft noch als Bestrafung angesehen. Aus diesem Grund versuchen viele Familien behinderte oder psychisch Kranke zu Hause zu verstecken. Hilfe wird auch Mal beim traditionellen Heiler gesucht, die Massagen, Tees und Pasten aus Kräutern verordnen und trommelnd und tanzend versuchen Kontakt zu den „Geistern“ aufzunehmen. Erst wenn das alles nichts nutzt, kommen die Betroffenen in eine Klinik. An diesem Punkt sind sie schon meistens völlig verstört. Und der Klinikaufenthalt macht das nicht unbedingt besser. Oft werden mittelalterliche Methoden angewandt - die Patienten werden angekettet, weggesperrt, geschlagen, liegen in ihren eigenen Exkrementen. Sie bleiben ewig in der Klinik, weil die Verwandten froh sind sie los zu sein und nach Entlassung nicht abholen kommen oder bezahlen .Aber auch die Ausbildung der Psychiater gibt es noch genug nachzuholen. Psychologische Fakultäten gibt es an den Universitäten erst seit den 60er Jahren. Einzeltherapie ist ein unbezahlbaren Luxus, der auch gar nicht der afrikanischen Mentalität entspricht. Konflikte werden hier in der Gemeinschaft gelöst. So sind Gruppentherapie meist viel sinnvoller und werden auch besser angenommen. Die Betroffenen sehen, dass sie nicht alleine mit ihrem Problemen sind.

Nun also zum wichtigen Teil:
Ob privat, als Verein oder als Firma - so könnt ihr spenden:

Kontoinhaber: On The Move e.V.
IBAN:DE12 8509 0000 2775 1510 08
BIC: GENODEF1DRS
Institut: Dresdner Volksbank Raiffeisenbank eG
Stichwort: Fahrradtour

Unter Angabe des vollständigen Namens und der Adresse kann postalisch natürlich eine Spendenquittung zugesendet werden. Papierlos und einfacher geht das auch per Mail unter Angabe der E-Mailadresse.

Die Möglichkeit Einfluss auf die Größe dieses Spendenprojektes zu nehmen, ist natürlich stark von Spendengeldern abhängig. Deswegen freuen wir uns über jeden Euro. Oft überlegt man, ob man überhaupt spendet, weil man nicht weiß ob das Geld ankommt oder es kein konkretes Projekt gibt- das ist hier anders. Wenn es noch Fragen gibt, stehe ich gerne zur Verfügung, um diese zu beantworten: jana.koplanski@gmx.net.
Dieser Beitrag darf natürlich gerne geteilt werden – redet mit Familie und Freunden oder auch auf der Arbeit darüber.

Bitte helft mit euer Spende die Lage für psychisch Kranke hier in Kenia zu verändern!

Sonntag, 14. Mai 2017

Alltag kehrt ein

Mittlerweile ist der Wochenablauf hier schon in Fleisch und Blut übergegangen – viele Dinge werden selbstverständlich, man wundert sich gar nicht mehr darüber. Wenn ich früh mit dem Matatu auf Arbeit fahre, muss ich jedes Mal diskutieren, warum ich 30 Ksh bezahlen muss, obwohl andere nur 20 Ksh geben.
Oder auch das hinterherrufen der Männer: „Hey Madame, you are so beautiful“. Dagegen ist „ Hey Vanilla, do you like chocolate?“ wirklich kreativ xD Ich ignoriere das gekonnt, ansonsten kann man die Herren nämlich nicht mehr abschütteln. Wenn Kinder mich fragen:“Muzungu (Weiße) how are you?“, dann ist das meistens wirklich freundlich gemeint. Ein Unterton schwingt trotzdem mit. In Deutschland wird immer extrem Wert darauf gelegt, dass die Hautfarbe komplett egal und überhaupt nicht erwähnenswert ist, weil das schon als rassistisch gilt. Hier bin ich aber was Besonderes. Am Anfang war das noch ziemlich nervig, mittlerweile habe ich mich dran gewöhnt, dass mir ständig hinterhergeschaut wird.
Der einzige Platz hier in der Stadt, an dem ich mir nicht wie eine Außerirdische vorkomme, ist das Java House – ein Café. Und damit meine ich wirklich ein Café nach europäischem Standard. Manchmal brauche ich es einfach, nicht auf Plastestühlen zu sitzen und Instantkaffee vorgesetzt zu bekommen. Dann gönne ich mir einen Iced Vanilla Latte und Pancakes und fühle mich wie im Himmel auf Erden. Es sind die kleinen Freuden, die das Leben leichter machen. Und hier bin ich eben nicht die einzige „Weiße“. Es scheint so, als ob das der Sammelplatz für alle gestrandeten Ausländer ist, die auf gewisse Dinge nicht verzichten wollen.



Am Wochenende findet hier der größte Markt in Westkenia statt - Alltag

Auch im Krankenhaus kehrt nach dem einwöchigen Streik langsam wieder Alltag ein. Ich war nochmal eine Woche auf der Gynäkologie, schließlich fehlt mir die letzte Woche. Und da ich mir frei einteilen kann, wann ich wo arbeite, war das auch gar kein Problem.
Alle kennen mich, sogar die Putzfrau grüßt mich frühs mit Namen. So startet man doch gerne in den Tag.
Nur eines hat das Arbeiten extrem schwierig gemacht – die Leute vom Labor scheinen diese Woche nicht so ganz bei der Sache gewesen zu sein. Zweimal haben sie unsere abgenommenen Blutproben verschlampt. Das ist nicht nur unvorteilhaft, weil man die Patienten nochmal stechen muss, sondern auch, weil man bei der Visite angepampt wird, warum noch keine Ergebnisse vorliegen. Wenn man ständig betteln gehen muss, damit Proben ausgewertet werden, und dann plötzlich falsche Werte von einem ganz anderen Patienten vorgelegt werden, dann fragt man sich wirklich, wie im Labor gearbeitet wird. Das frisst auch extrem viel Zeit, die man ganz anders nutzen könnte. Außerdem gab es auch diese Woche wieder keine Blutkonserven – also auch keine geplante OP. Das ist nicht nur ärgerlich für die Patientinnen, sondern auch für mich. In den fünf Wochen in der Gynäkologie habe ich nicht ein einziges Mal eine Operation hier miterleben dürfen. Gerade um vergleichen zu können, hätte mich das wahnsinnig interessiert. Dafür habe ich trotzdem einiges über den Stationsablauf hier gelernt.
Da die Geburtenrate viel höher ist, sieht man aber auch mehr Fehlgeburten. Gerade diese Woche waren es doch ziemlich viele. Keiner mag sich vorstellen, was für ein traumatisches Erlebnis das für die Frau sein muss. Psychologische Betreuung danach gibt es hier aber nicht. Und in einem Raum mit fünf anderen Frauen kann man wohl auch nicht richtig zur Ruhe kommen. Ich habe mich für Gynäkologie und Geburtshilfe entschieden, weil ich ein Fachgebiet wollte, in dem es nicht nur um Leid geht, sondern auch neues Leben das Licht der Welt erblickt. Wohl wissend, dass es auch solche Beispiele gibt. Nicht immer ist es leicht damit umzugehen, die Bilder im Kopf nicht mit nach Hause zu nehmen. In der 22. Woche sind es eben schon richtige kleine Menschen, die da auf die Welt kommen. Leben und Tod liegen eben doch schmerzlich nah beieinander. Abtreibung ist hier übrigens nur aus medizinischen Gründen für die Mutter erlaubt. Gut möge man meinen, so spielt man nicht Gott. Leider sind damit auch unerwünschte Nebeneffekte verbunden. Frauen nehmen irgendwelche Kräuter ein, die ein Medizinmann ihnen gibt, damit der Fetus angeht. Und dann landen sie mit schweren Blutungen bei uns im Krankenhaus und neue Probleme ergeben sich, mit denen sie sicher so nicht gerechnet haben.
Arbeiten wird auch dann schwer, wenn man keinen Ansprechpartner hat. Als Berufsanfänger- so wie wir es gerade auf Station zu dritt sind – versichert man sich gerne nochmal bei einem Ober- oder wenigstens Facharzt. Wenn diese aber nicht zu erreichen sind oder von drei zuständigen Oberärzten (Consultants) keiner zur Hauptvisite erscheint, die immer dienstags und freitags stattfindet, dann ist das wirklich doof. Einige von ihnen findet man in der Klinik, die Patienten ambulant behandelt. Andere erscheinen aber auch erst im Krankenhaus, wenn man sie mehrmals angerufen hat. Ich habe diese Woche alleine zwei Ärzte kennengelernt, die ich bisher in den acht Wochen noch nie gesehen habe, schon komisch. Und die werden trotzdem voll bezahlt, wenn die Regierung nicht gerade mal streikt, auch wenn sie nicht erscheinen. Schließlich kontrolliert das keiner. Ein bisschen fragwürdig – ob man mit dem Gewissen leben kann, sollte aber wohl jeder selber entscheiden.

Der Op-Trakt von außen

Kirchen aller Art prägen das Stadtbild von Kisumu. Damit sind nicht immer die prunkvollen Prachtbauten gemeint, die man sich vielleicht darunter vorstellt. Vom Zelt, über eine Wellblechhütte, vom Rohbau bis zum fertigen Gebäude kann das alles sein. So ein Rohbau ist natürlich ziemlich durchlässig – in jederzeit Hinsicht. Jetzt in der Regenzeit erweist sich manch ein Dach nicht immer so dicht, wie gedacht. Auch Hühner habe ich hier schon in einem Gotteshaus gesehen, das stört aber auch keinen. Ein wenig schmunzeln muss ich trotzdem immer.
Generell geht eine Messe hier im Vergleich zu daheim meist länger – um die zwei Stunden. Das liegt zum einen an den langen, aber durchaus sehr interessanten Predigten der Priester, die das aktuelle Geschehen im Land oft einzubeziehen wissen. Zum anderen aber auch an der musikalischen Begleitung. Ob Jugendband oder Chor – jede Woche ist was los. Wer nicht mitsingt, der klatscht, macht irgendetwas anderes mit den Händen oder tanzt einfach ein bisschen. Verstehe ich vielleicht nicht immer was gesungen wird, so bekommt man doch ganz einfach gute Laune dadurch.




Wie schon oft angesprochen, ist der Müll hier in Kenia ein riesen Problem. Jeder lässt alles da fallen, wo er geht und steht. Das liegt sicher auch daran, dass es fast keine Mülleimer an öffentlichen Plätzen gibt. Auch zu Hause findet keine Mülltrennung statt – alles kommt in den gleichen Sack, der am Sonntag vor die Haustür gestellt  und von einem großen offenen Transporter abgeholt wird. Ganz oft wird hier aber auch abends am Straßenrand ein kleines Feuer aus dem Dreck gemacht, der rumliegt. Das stinkt nicht nur, sondern man tut der Umwelt damit sicher nichts Gutes.
Beim Einkaufen im Supermarkt wird alles thematisch verpackt – eine nette Sache, so braucht man zu Hause nicht mehr zu sortieren. Nur fällt durch jede einzelne Plastetüte wieder extra Müll an. Da ich meist mit Rucksack oder großer Tasche unterwegs bin, verzichte ich eh immer darauf.
Die Regierung will aber etwas dagegen tun und so sind ab September diesen Jahres Plastebeutel verboten. Damit ist Kenia vielen europäischen Ländern voraus. Doch es ist dringend nötig, wenn man sieht, wie es überall aussieht. Mit so einer Gesetzesänderung ist natürlich auch ein Umdenken in den Köpfen der Menschen nötig und das braucht sicherlich seine Zeit. Alte Gewohnheiten wirft man schließlich nicht so schnell ab.


Müll soweit das Auge reicht.

Apropos Kopf – auf dem wird hier in Afrika ganz viel transportiert. Das kann von der Handtasche, über den Einkauf bis zu schweren Reissäcken oder Wasserkanistern alles sein. Was so einfach aussieht, ist von klein auf antrainiert. Bei unsereins würde es wohl eher unbedarft wirken. Jeder Kenianer macht es mit einer unerschütterlichen Selbstverständlichkeit -wirklich bewundernswert.




Ab der nächsten Woche arbeite ich auf der Wochenstation – ob auch da der Alltag schnell einkehrt und was mein Leben hier in Kenia sonst so ausmacht, dazu dann das nächste Mal mehr…

Dienstag, 9. Mai 2017

Arbeitslos und kleinkriminell

Tja, was soll ich zu der Woche sagen - es war sehr ruhig.
Dienstagmorgen, ich stehe pünktlich um 8 vor dem Versammlungsraum, in dem jede Woche fachspezifisch ein Meeting abgehalten wird, bei dem ein Assistenzarzt einen Vortrag hält - keiner da. Als nach zehn Minuten ein Kollege erscheint, stellen wir fest, dass in Großteil der Ärzte wohl immer noch streikt. Ein Blick auf die Stationen bestätigt das - der Kreißsaal ist leer - bei Notfällen ist ja kein Arzt vor Ort. Demzufolge ist auch auf der Wochenstation nichts los. Auch auf der Gyn liegen nur noch wenige Patientinnen. Neuaufnahmen gibt es keine, denn die Notaufnahme ist ja nicht besetzt, geplante Patientinnen werden wieder nach Hause geschickt. Es hat auch wenig Sinn jemanden dazubehalten, wenn keine OPs stattfinden und keiner behandelt wird. Schließlich muss ein Haufen Geld dafür bezahlt werden. Also entlassen wir die restlichen Patientinnen nach Hause, denn die meisten sind eh da, weil sie Anämie haben oder operiert werden sollen. Also bekommen alle eisenhaltige Medikamente verschrieben und dürfen gehen. Eine akute Patientin wird in ein anderes Krankenhaus verlegt. Nach zwei Stunden ist mein Arbeitstag damit beendet - und auch die Arbeitswoche, denn an dem Zustand ändert sich bis Freitag nichts.
Ein bisschen ärgerlich ist die ganze Sache schon, waren wir letzte Woche doch mit fast der ganzen Stationsbelegschaft extra Blut spenden, da viele OPs wegen fehlender Blutkonserven ausfallen mussten. Spenden funktioniert hier genauso in Deutschland - die Nadel ist groß und am Ende gibt es noch - wie soll es auch anders sein - eine 0.5 l Flasche Sprite als Dank. Unsere Spenden sollten extra nur für unsere Station zurückgehalten werden. Auf Grund des Streiks werden wir die wohl aber nicht mehr wiedersehen. Naja, dafür hat man hoffentlich jemand anderem geholfen.

Mittlerweile bin ich ziemlich gut darin, wenig oder auch mal gar nichts zu tun. Hoffentlich fällt mir das, zurück in Deutschland, dann nicht irgendwann auf die Füße.
Die Tage zu Hause vergehen mit gutem Essen, faulenzen und Vokabeln lernen. Vor ein paar Tagen konnte ich ein kleines Heftchen erstehen, in dem ein paar Phrasen Englisch - Sahili zu finden sind. Ich merke jedoch schnell, dass ich das mit dem Vokabeln pauken ein bisschen verlernt habe.

Dann war da auch noch viel Organisatorisches zu erledigen, denn nach meiner Rückkehr Ende Juli geht es ohne Verschnaufpause oder Akklimatisationsphase gleich wieder in die Vollen. Am 01.08. werde ich meine erste Stelle als Assistenzärztin in der Gynäkologie und Geburtshilfe in Meißen antreten. Aus der Ferne ist es natürlich schwieriger alle erforderlichen Dokumente zusammenzustellen.
Außerdem steht noch ein anderes spannendes Projekt aus, von dennoch euch in den nächsten Wochen ausführlicher berichten will. Es sei nur soviel gesagt: jeder von euch kann eine gute Tat vollbringen, die langfristig Hilfe leisten wird.

Doch wie es dann so ist, kommt es erstens anders und zweitens als man denkt. Und so stattet mir mein Ansprechpartner Roy am Freitag einen Besuch zu Hause ab. Mein Visum hier ist nur bis zum 21. Mai gültig. Deshalb habe ich ihn gefragt, wo wir uns demnächst um eine Verlängerung kümmern können. Von einer anderen Freiwilligen wusste ich, dass das prinzipiell auch hier in Kisumu möglich ist. Doch die Nominations werfen immer noch ihre Schatten über alles, denn die Ergebnisse für Kisumu stehen noch nicht offiziell fest. Also ist die lokale Verwaltung gerade eher mit anderen Dingen beschäftigt. Wir müssen also nach Nairobi. Ganz unglücklich bin ich jedoch nicht darüber - so komme ich endlich mal wieder raus. Außerdem hege ich die leise Hoffnung, dass der Streik vielleicht noch weitergeht und ich meinen Aufenthalt in der Hauptstadt verlängern kann. Die Tickets für den Reisebus besorgen wir schon am Samstag und meinen Rucksack packe ich vorsorglich ein bisschen voller.

Sonntag morgens geht es dann um 9 los. Das erste mal komme ich schon ins Schwitzen, als Roy nicht zur verabredeten Zeit erscheint, denn er hat die Tickets. Zum Glück kommt er noch kurz vor knapp an und es kann losgehen. Ich habe zwar nicht unheimlich viel Beinfreiheit, wodurch 7,5 Stunden schon echt lang werden können, dafür aber einen guten Platz am Fenster.
Und das Hinausschauen lohnt sich. Es ist herrlich, was Kenia landschaftlich zu bieten hat - so abwechslungsreich. Die Teeplantagen in den Bergen um Kericho, dichte Wälder in einem satten Grün, die Berge vom Great Rift Valley in der Ferne.

Tee, soweit das Auge reicht.


Am Straßenrand sehe ich plötzlich einen Affen vorbeispazieren - ich bin begeistert. Die Wälder wechseln sich ab mit Seen, kargen menschenleeren Landschaften - weit und breit kein Haus zu sehen.
Preisfrage: Woran erkennt man, das keine Menschen in diesem Landstrich leben? Richtig, es gibt keinen Müll - ein Segen für die Umwelt. Dann folgen wieder savannenartige Landschaften - kleine Herden Zebras grasen nicht weit entfernt von der Straße. So stellt man sich Afrika vor!


Leider bin ich nicht immer schnell genug, um den Auslöser meiner Handykamera zu drücken. Doch ich weiß, dass ich vieles davon auf meiner Reise im Juli nochmal sehen werde. Also kann ich die Bilder dazu noch nachreichen.
Nairobi liegt dann im Tal zwischen Hügeln, auf durchschnittlich 1600 Metern. Die Skyline ist schon von Weitem zu sehen.


Angekommen suchen wir uns erstmal ein Zimmer in einem, laut Roy, guten Hotel in der Nähe des Busbahnhofes. Genau das wird sich noch rächen, denn der Krach der an- und abfahrenden Autos hält mich lange wach und weckt mich früh zeitig. Leider habe ich meine Oropacks zu Hause gelassen, mit denen ich sonst immer schlafe, also bin ich wohl selbst Schuld. Und der kleine Preis, für den ich mir mit Roy das Zimmer teile, macht sich noch anders bemerkbar - am Abend funktioniert das mit dem Wasser nicht. Erst morgens ist dann eine kleine Katzenwäsche möglich. Auf das Benutzen der Dusche - der Duschkopf ragt halb über die Kloschüssel - verzichte ich dann doch lieber. Auch, da beides nur durch einen Vorhang vom Rest des Zimmers abgetrennt ist. Aber gut, für eine Nacht lässt sich das schon aushalten.
Am Sonntag fahren wir dann noch zu Verwandten von Roy, die ganz in der Nähe eines der größten Slums von Nairobi - Kibera- wohnen.


Der Weg dahin ist abenteuerlich. Dachte ich, die schlechten Strasenverhältnisse in Kisumu wären nicht zu übertreffen, werde ich hier eines Besseren belehrt. Die Schlaglöcher sind teilweise so groß, dass man nach dem Regen kleine Kinder darin baden könnte. Kräftig durchgeschüttelt und mit ein paar blauen Flecken mehr kommen wir aber schließlich an.
Noch am Abend bekomme ich dann die Nachricht, dass der Streik erst einmal beendet ist, sodass ich am Montag wieder mit nach Kisumu fahren werde. Ein bisschen enttäuscht bin ich schon. Nehme mir aber vor, nochmal für ein paar Tage nach Nairobi zu kommen, um mehr Zeit zu haben , die Stadt zu erkunden.

Der Montagmorgen startet mit einem typisch kenianischen Frühstück - Marmeladentoastbrot, Süßkartoffeln, ein gekochtes Ei, eine kleine warme Wurst, ein paar Stückchen Melone und einem Instantkaffee. Ein bunt zusammengewürfelter Mix, der erstmal für eine Weile satt macht.
Da wir erst ab um 10 zum Immigration Department können, machen wir uns vorher auf den Weg zur mexikanischen Botschaft, denn Roy braucht für seine Reise nach Mittelamerika in zwei Wochen auch noch ein Visum. Die Botschaft liegt idyllisch im Villenviertel in den Hügeln Nairobis.
Nach dem Anschlag auf die US-Botschaft 1998 sind hier alle jedoch ein bisschen sensibel. Also darf ich auf einem Plastestuhl vor den Toren warten, da eine bisher unbemerkte Gefahr von mir auszugehen scheint ;-) Mit afrikanischer Ruhe und Gelassenheit warte ich also darauf, dass Roy nach einer Stunde wieder rauskommt. Unterdessen winke ich Botschaftsmitarbeitern zu, die in ihrem Auto zur Arbeit kommen xD

Danach machen wir uns auf den Weg in die Stadt, um die Verlängerung meines Visums in Angriff zu nehmen. Nichts leichter als das, dachte ich und so folgt schon bald die Ernüchterung. Die erste Stelle, die wir deswegen ansteuern, fühlt sich nicht dafür zuständig und verweist uns an die Deutsche Botschaft - so ein Quatsch. Schlussendlich landen wir dann nach einigem Hin und her im Hauptgebäude der Verwaltung. Auch da müssen wir uns erst durchfragen, denn aus dem Plan vor dem Aufzug wird nicht ersichtlich, in welches Stockwerk wir sollen. Am Ende landen wir wieder im Eingangsbereich am Tresen, hinter dem zwei Männer in Camouflage sitzen, weil keiner weiß, wo wir hingehen können. Nachdem wir den beiden Herren unser Anliegen erzählen, finden wir endlich ein offenes Ohr. Einer der beiden kommt hinter dem Tresen hervor und nimmt uns beiseite. Noch einmal erzähle ich, dass ich aus Deutschland komme und mein Visum bis Ende Juli verlängern will. Er will 3000 KSh, also rund 30€ dafür haben und verschwindet dann mit meinem Pass. Ganz wohl ist mir nicht bei der Sache, mein Ausweisdokument aus den Händen zu geben. Und so erscheinen die zehn Minuten ewig, bis er damit wiederkommt, mit einem Stempel darin, der die Verlängerung bis zum 11.09. anzeigt.


Ich bin erleichtert, aber auch ein wenig verdutzt. Eigentlich wird nur um drei Monate verlangst- das Datum scheint willkürlich- und niemand wollte mein Rückflugticket sehen oder hat nach dem Grund der Verlängerung gefragt. Als Roy mir erzählt, dass der Typ ihn gefragt hat, ob er mich haben kann, um außer Landes zu kommen, wird mir einiges klar. Das war wohl mein Ritterschlag zum waschechten Afrikaner - ich habe einen Beamten geschmiert.
Habe ich vorher immer nur von Korruption berichtet, habe ich es nun am eigenen Leib erlebt - mit Geld ist alles möglich. Vielleicht wäre es auch auf legalem Wege gegangenen, hätte aber sicherlich länger gedauert. Und so bin ich am Ende doch glücklich, dass alles funktioniert hat, egal wie.

Nach einem Mittagessen geht es dann wieder zurück nach Kisumu - in einem Matatu. Da können mehr als sieben Stunden schon ziemlich lang werden. Vor allem bei einem Platz in der letzten Reihe in der Mitte. Reisebusse fahren nur am Morgen und in der Nacht, also bleibt uns nichts anderes übrig, wenn wir am Abend zurück sein wollen. Der Fahrer dreht die Musik so laut, dass man uns garantiert einen Kilometer vor und nach uns noch hören kann. Nach drei Stunden Diskobeschallung mit Gospelsongs habe ich dann langsam genug. Ich bin mir nicht sicher, ob der Fahrer das braucht, um selber nicht einzuschlafen oder weil er nicht mehr richtig hört. Danach habe ich jedenfalls einen vorübergehenden Höhrschaden.
Als ich auf dem letzten Metern nach Hause auch noch nasse Füße bekomme, weil es wie aus Kübeln gießt und sich auf dem Weg ein kleiner Fluss bildet, bin ich vollkommen fertig und mache drei Kreuze, dass ich wieder heil gelandet bin. Ich schlafe tief und fest und höre am nächsten Morgen den Wecker fast nicht.

Was mich auf der Arbeit erwartet und ob es auch in dieser Woche zu unvorhergesehenen Überraschungen kommt, das erfahrt ihr dann nächstes Mal.

Montag, 1. Mai 2017

Politischer Exkurs und Ausflug in die Natur

2017 ist Superwahljahr in Kenia, neben dem Präsidenten und Parlamentsmitgliedern stehen deshalb Anfang August auch Gouverneure, Senatoren und Bezirksregierungen zur Wahl für 47 verschiedene Counties. Kenias Wahlspruch lautet "Harambee", was auf Kiswahili soviel bedeutet wie " Lasst und zusammenstehen". An einem Strang zieht hier aber sprichwörtlich keiner, vor allem nicht zum Wohle der gesamten Bevölkerung, das habe ich hier in der kurzen Zeit schon bemerkt.

Vor 10 Jahren, 2007 starben nach den Ereignissen bei den Präsidentschaftswahlen 1500 Menschen, eine halbe Million floh in andere Landesteile , wurde vertrieben oder zwangsumgesiedelt. Grund waren Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen. So verschwanden Wahlhelfer mit Stimmzetteln, in einigen Landesteilen würde eine Wahlbeteiligung über 100% erreicht oder die Wahlkomission korrigierte Zahlen nach eignem Befinden und Ermessen nach oben oder unten. Der Vorwurf der Wahlfälschung bei einem am Ende mehr als knappen Ergebnis stand also im Raum. Zwar hat es danach eine Wahlrechtsreform und sogar eine Verfassungsänderung gegeben, viele befürchten trotzdem, dass es diesen Sommer wieder zu Ausschreitungen zwischen Anhängern der Parteien kommt.

Als aussichtsreichster Kandidat gilt der derzeitige Präsident Uhuru Kenyatta, ältester Sohn des ersten Präsidenten der Republik. Nachdem 2014 die Anklage gegen ihn wegen Anstiftung zum Völkermord bei den Ausschreitungen 2007 fallen gelassen wurde, hat sich die Lage seiner Parteiallianz "Jubilee" stabilisiert. Aus Mangel an Beweisen wurde das Verfahren eingestellt. Auch, weil eine Vielzahl von Zeugen im Prozessverlauf ihre Bereitschaft zur Aussage auf Grund von Drohungen oder Bestechung zurückgezogen haben. Auf der Gegenseite wird Raila Odinga (der aufmerksame Blogleser kann den Namen mit meinem Museumsbesuch zu Ostern verbinden) die Opposition ins Rennen führen. Mit 71 Jahren ist er nicht mehr der Jüngste und nach zwei gescheiterten Wahlversuchen gilt es als strittig, ob er im Fall einer erneuten Niederlage das Ergebnis anerkennt und seine Anhänger zu Ruhe aufrufen kann.
Und so treten auch in diesem Jahr zwei Vertreter großer Politikerdynastien an. Im Allgemeinen hat eine Parteizugehörigkeit hier sowieso wenig mit unabhängigen Interessen und festgelegten Programmen zu tun, als vielmehr mit der Zugehörigkeit zu einer der über 40 verschiedenen Ethnien, die im Land leben. Das führt dazu, dass politische Verantwortung personenkonzenzriert ist und weniger dem Gemeinwohl dient. So wird aber auch vorbeiregiert an den zahlreichen Herausforderungen, die es im Land gibt: infrastrukturelle Probleme, der beschränkte Zugang zum Bildungs- und Gesundheitswesen oder auch die Höhe Jugendarbeitslosigkeit.

Die Wahlvorbereitungen beginnen in Kenia schon recht zeitig. Unter anderem mit der Registrierung der Wähler oder auch den Nominations, bei denen die Parteien ihre Kandidaten wählen lassen, die im August antreten sollen. In den letzten Wochen haben in verschiedenen Counties hier diese Nominations stattgefunden. Und was soll ich sagen, es war zum Großteil ein heilloses Durcheinander. Termine dafür wurden verschoben, weil Wahlurnen und Stimmzettel nicht rechtzeitig angekommen waren. Wahlen mussten wiederholt werden, weil nicht alle Namen auf den Stimmzetteln standen. Unterschiedliche Ergebnisse wurden von verschiedenen Vertretern unabhängig voneinander und viel zu zeitig bekannt gegeben. Oder die Anzahl der abgegebenen Stimmen bei der Wahl der verschiedenen Posten stimmte nicht überein. Von einem fehlerfreien Ablauf, den eine unabhängige Wahlkommission gewährleisten soll, kann also absolut nicht die Rede sein. Hat jetzt bei den Vorwahlen ein Kandidat sein Ziel nicht erreicht, dann kann es auch sein, dass er eine neue Partei gründet, zu einer der 60 anderen wechselt oder als unabhängiger Kandidat antritt, um beispielsweise noch eine Chance auf einen Sitz im Parlament zu haben. Es ist wenig verwunderlich, dass es nach den Nominations in zahlreichen Counties zu Ausschreitungen gekommen ist.
Hier in Kisumu wurde nach Verzögerung dann am letzten Dienstag gewählt. Bis Mittwoch Morgen war nicht ganz klar, wie die Lage nach Bekanntgabe der Ergebnisse einzuschätzen sein würde. Früh war es aber relativ ruhig, sodass ich mich trotzdem auf den Weg ins Krankenhaus gemacht habe. Laut Aussage von Dan und Lavender wäre ich da bei Ausschreitungen wieso am sichersten. Glücklicherweise hielt sich die Gewalt jedoch in Grenzen. In einem Stadtteil, durch den ich mit dem Matatu auf meinem Arbeitsweg immer muss, sind zwar wohl Steine geflogen und es hat gebrannt, aber es gab keine Verletzten. Auch die Polizei, die in anderen Landesteilen schon mit Wasserwerfern, Schlagstöcken oder geladenen Waffen am Start war, musste hier nicht eingreifen. Und so bin ich am Nachmittag ohne Zwischenfälle wieder zu Hause gelandet. Mehr als froh darüber, dass alles so glimpflich abgelaufen ist.

Auch Hassreden sind ein probates Mittel der Politiker, um die verschiedenen Ethnien gegeneinander in Stellung zu bringen, was auf Grund der mangelnden Bildung gut funktioniert. So sollten sich zum Beispiel während der Nominations hier in Kisumu alle Angehörigen anderer Volksstämme als der Luo lieber nicht außerhalb des Hauses blicken lassen. Besteht auch nur der Verdacht, weil man "heller" ist als die Anderen oder man den hiesigen Dialekt nicht sprechen kann, dann drohen einem nicht nur Schläge. Schade, dass man aus den Vorkommnissen der letzten Jahre nichts gelernt zu haben scheint! Ich bin ganz froh Anfang August nicht mehr im Land zu sein, bei einer Wahl, die schon jetzt ihre Schatten vorauswirft. Wenn vorher Hamsterkäufe getätigt werden müssen, damit man im Notfall einen Monat das Haus nicht verlassen muss, falls es zu gewaltsamen Ausschreitungen kommt, dann hat das jedenfalls wenig mit meinem Verständnis von Demokratie zu tun.
Es ist also eher weniger die Frage, wer die Wahl im Sommer gewinnt, sondern ob es dieser Person gelingt, unabhängig von Stammeszugehörigkeiten den Frieden danach im Land zu gewährleisten. Ethnische Vielfalt sollte als Bereicherung und nicht als Bedrohung angesehen werden. Etwas, das auch einige Deutsche verinnerlichen sollten!

Doch genug von Politik, schließlich erzähle ich ja immer großmütig, dass Kisumu am Viktoriasee liegt. Von dem hatte ich bisher aber nur von Weitem etwas gesehen. Am Samstag dann machten wir uns zum Mittag auf ins Tilapia Brach Resort. Der Name versprich viel, was die spärliche Ausstattung aber nicht halten kann, doch daran habe ich mich bereits gewöhnt, denn der servierte Fisch entschädigt für alles. Nur der Ausblick auf den See ist anders als erwartet - man sieht ihn nämlich nicht. Wasserhyazinthen überwuchern alles. Doch die Enttäuschung währt nicht lange, machen wir uns anschließend auf zum Hippo Point, der ein bisschen außerhalb der Stadt liegt und an dem man, wie der Name schon verraten lässt, auch Nilpferde sehen soll. Doch auch da weit und breit kein Wasser zu sehen. Auf Nachfrage ist zu erfahren, dass sich seit Dezember letzten Jahres die Lage so drastisch verschlimmert und sich das Wasser "zurückgezogen" habe.

Fotoshooting am "See"

Wie man sieht, sieht man nichts

Zu Hause angekommen, lese ich mich ein bisschen ein. Schon in den letzten Jahren war diese traurige Entwicklung abzusehen. Durch hohen Wasserverbrauch und starke Verdunstung hat der Wasserpegel des drittgrößten Sees der Welt dramatisch abgenommen. Das Aussetzen von Nilbarschen, einem großen Raubfisch, führte seit den 60er Jahren zum Aussterben ansässiger Fischarten. Den Menschen, die am See und vom Fischfang leben, wird so kontinuierlich die Grundlage entzogen. Auch die Vermehrung der Wasserhyazinthen seit den 90ern trägt dazu bei, da sie den Fischen den nötigen Sauerstoff rauben. Mehr als 40% des Uferbereichs bedecken diese Schlingpflanzen bereits. Es sieht also nicht gut aus. Und wenn nicht bald Lösungen für die bestehenden Probleme gefunden werden, dann droht die Austrocknung des Sees.
Ob ich ihn bei einem Ausflug in den nächsten Wochen, der uns ein bisschen weiter von der Stadt wegführt, noch einmal in seiner ganzen Schönheit bewundern kann, wird sich zeigen.

Wenn wir mit dem Auto unterwegs sind, dann sieht man immer mal wieder kleinere oder größere Bananenplantagen. Es gibt nicht nur die Bananen, die wir aus dem Supermarkt kennen, sondern auch Minibananen oder in allen anderen erdenklichen Größen. Diese wachsen an Stauden, werden grün geerntet und dann in die ganze Welt verschifft. Oder eben hier an den kleinen Straßenständen verkauft. Einen Banane kostet meist nicht mehr als 10 Center - ein Schnäppchen also. Und nirgendwo schmecken sie so süß wie hier - himmlisch.
So eine Bananenstaude trägt übrigens nur einmal in ihrem Leben Früchte, danach stirbt sie ab. Vorher werden aber noch Schösslinge gebildet, die sich wieder zu Stauden entwickeln, da Banenn ja bekanntlich keine Samen haben - Vermehrung gibt's also nur durch Teilung. So eine Stauden kann, je nach Sorte, übrigens bis zu 6 Meter hoch werden.


Doch genug geklugscheißert. Mein Highlight zum Labour day- ja auch hier ist heute Feiertag gewesen (wenn man es auch nicht gemerkt hat), war ein Kinobesuch. Das einzige Kino der gesamten Stadt hat erst vor zwei Jahren geöffnet und zeigt neben Bollywoodfilmen auch aktuelle Hollywoodfilme. Zwar mussten wir auch hier mit Lavender Hürden überwinden - zur ausgegebenen Zeit wurde der Film nicht gezeigt, also kamen wir abends nochmal wieder & dann war auch noch die Leinwand kaputt, sodass wir den Saal wechseln mussten - aber letztendlich konnte ich ihr mit einer Einladung zu ihrem allerersten Kinoerlebnis jemals eine große Freude machen. Für mich etwas selbstverständliches, so war für sie alles neu. Aber bei nur 4,50€ auch am Feiertag, war das sicher nicht unser letzter Besuch!

Da ein Großteil der Ärzte hier seit letztem Freitag wieder streikt, weil die Regierung sie seit Ende Dezember nicht mehr bezahlt hat, ist es auf Arbeit gerade eher ruhig. Mehr dazu und zu kenianischen bzw. afrikanischen Gepflogenheiten dann in einer Woche...