Dienstag, 9. Mai 2017

Arbeitslos und kleinkriminell

Tja, was soll ich zu der Woche sagen - es war sehr ruhig.
Dienstagmorgen, ich stehe pünktlich um 8 vor dem Versammlungsraum, in dem jede Woche fachspezifisch ein Meeting abgehalten wird, bei dem ein Assistenzarzt einen Vortrag hält - keiner da. Als nach zehn Minuten ein Kollege erscheint, stellen wir fest, dass in Großteil der Ärzte wohl immer noch streikt. Ein Blick auf die Stationen bestätigt das - der Kreißsaal ist leer - bei Notfällen ist ja kein Arzt vor Ort. Demzufolge ist auch auf der Wochenstation nichts los. Auch auf der Gyn liegen nur noch wenige Patientinnen. Neuaufnahmen gibt es keine, denn die Notaufnahme ist ja nicht besetzt, geplante Patientinnen werden wieder nach Hause geschickt. Es hat auch wenig Sinn jemanden dazubehalten, wenn keine OPs stattfinden und keiner behandelt wird. Schließlich muss ein Haufen Geld dafür bezahlt werden. Also entlassen wir die restlichen Patientinnen nach Hause, denn die meisten sind eh da, weil sie Anämie haben oder operiert werden sollen. Also bekommen alle eisenhaltige Medikamente verschrieben und dürfen gehen. Eine akute Patientin wird in ein anderes Krankenhaus verlegt. Nach zwei Stunden ist mein Arbeitstag damit beendet - und auch die Arbeitswoche, denn an dem Zustand ändert sich bis Freitag nichts.
Ein bisschen ärgerlich ist die ganze Sache schon, waren wir letzte Woche doch mit fast der ganzen Stationsbelegschaft extra Blut spenden, da viele OPs wegen fehlender Blutkonserven ausfallen mussten. Spenden funktioniert hier genauso in Deutschland - die Nadel ist groß und am Ende gibt es noch - wie soll es auch anders sein - eine 0.5 l Flasche Sprite als Dank. Unsere Spenden sollten extra nur für unsere Station zurückgehalten werden. Auf Grund des Streiks werden wir die wohl aber nicht mehr wiedersehen. Naja, dafür hat man hoffentlich jemand anderem geholfen.

Mittlerweile bin ich ziemlich gut darin, wenig oder auch mal gar nichts zu tun. Hoffentlich fällt mir das, zurück in Deutschland, dann nicht irgendwann auf die Füße.
Die Tage zu Hause vergehen mit gutem Essen, faulenzen und Vokabeln lernen. Vor ein paar Tagen konnte ich ein kleines Heftchen erstehen, in dem ein paar Phrasen Englisch - Sahili zu finden sind. Ich merke jedoch schnell, dass ich das mit dem Vokabeln pauken ein bisschen verlernt habe.

Dann war da auch noch viel Organisatorisches zu erledigen, denn nach meiner Rückkehr Ende Juli geht es ohne Verschnaufpause oder Akklimatisationsphase gleich wieder in die Vollen. Am 01.08. werde ich meine erste Stelle als Assistenzärztin in der Gynäkologie und Geburtshilfe in Meißen antreten. Aus der Ferne ist es natürlich schwieriger alle erforderlichen Dokumente zusammenzustellen.
Außerdem steht noch ein anderes spannendes Projekt aus, von dennoch euch in den nächsten Wochen ausführlicher berichten will. Es sei nur soviel gesagt: jeder von euch kann eine gute Tat vollbringen, die langfristig Hilfe leisten wird.

Doch wie es dann so ist, kommt es erstens anders und zweitens als man denkt. Und so stattet mir mein Ansprechpartner Roy am Freitag einen Besuch zu Hause ab. Mein Visum hier ist nur bis zum 21. Mai gültig. Deshalb habe ich ihn gefragt, wo wir uns demnächst um eine Verlängerung kümmern können. Von einer anderen Freiwilligen wusste ich, dass das prinzipiell auch hier in Kisumu möglich ist. Doch die Nominations werfen immer noch ihre Schatten über alles, denn die Ergebnisse für Kisumu stehen noch nicht offiziell fest. Also ist die lokale Verwaltung gerade eher mit anderen Dingen beschäftigt. Wir müssen also nach Nairobi. Ganz unglücklich bin ich jedoch nicht darüber - so komme ich endlich mal wieder raus. Außerdem hege ich die leise Hoffnung, dass der Streik vielleicht noch weitergeht und ich meinen Aufenthalt in der Hauptstadt verlängern kann. Die Tickets für den Reisebus besorgen wir schon am Samstag und meinen Rucksack packe ich vorsorglich ein bisschen voller.

Sonntag morgens geht es dann um 9 los. Das erste mal komme ich schon ins Schwitzen, als Roy nicht zur verabredeten Zeit erscheint, denn er hat die Tickets. Zum Glück kommt er noch kurz vor knapp an und es kann losgehen. Ich habe zwar nicht unheimlich viel Beinfreiheit, wodurch 7,5 Stunden schon echt lang werden können, dafür aber einen guten Platz am Fenster.
Und das Hinausschauen lohnt sich. Es ist herrlich, was Kenia landschaftlich zu bieten hat - so abwechslungsreich. Die Teeplantagen in den Bergen um Kericho, dichte Wälder in einem satten Grün, die Berge vom Great Rift Valley in der Ferne.

Tee, soweit das Auge reicht.


Am Straßenrand sehe ich plötzlich einen Affen vorbeispazieren - ich bin begeistert. Die Wälder wechseln sich ab mit Seen, kargen menschenleeren Landschaften - weit und breit kein Haus zu sehen.
Preisfrage: Woran erkennt man, das keine Menschen in diesem Landstrich leben? Richtig, es gibt keinen Müll - ein Segen für die Umwelt. Dann folgen wieder savannenartige Landschaften - kleine Herden Zebras grasen nicht weit entfernt von der Straße. So stellt man sich Afrika vor!


Leider bin ich nicht immer schnell genug, um den Auslöser meiner Handykamera zu drücken. Doch ich weiß, dass ich vieles davon auf meiner Reise im Juli nochmal sehen werde. Also kann ich die Bilder dazu noch nachreichen.
Nairobi liegt dann im Tal zwischen Hügeln, auf durchschnittlich 1600 Metern. Die Skyline ist schon von Weitem zu sehen.


Angekommen suchen wir uns erstmal ein Zimmer in einem, laut Roy, guten Hotel in der Nähe des Busbahnhofes. Genau das wird sich noch rächen, denn der Krach der an- und abfahrenden Autos hält mich lange wach und weckt mich früh zeitig. Leider habe ich meine Oropacks zu Hause gelassen, mit denen ich sonst immer schlafe, also bin ich wohl selbst Schuld. Und der kleine Preis, für den ich mir mit Roy das Zimmer teile, macht sich noch anders bemerkbar - am Abend funktioniert das mit dem Wasser nicht. Erst morgens ist dann eine kleine Katzenwäsche möglich. Auf das Benutzen der Dusche - der Duschkopf ragt halb über die Kloschüssel - verzichte ich dann doch lieber. Auch, da beides nur durch einen Vorhang vom Rest des Zimmers abgetrennt ist. Aber gut, für eine Nacht lässt sich das schon aushalten.
Am Sonntag fahren wir dann noch zu Verwandten von Roy, die ganz in der Nähe eines der größten Slums von Nairobi - Kibera- wohnen.


Der Weg dahin ist abenteuerlich. Dachte ich, die schlechten Strasenverhältnisse in Kisumu wären nicht zu übertreffen, werde ich hier eines Besseren belehrt. Die Schlaglöcher sind teilweise so groß, dass man nach dem Regen kleine Kinder darin baden könnte. Kräftig durchgeschüttelt und mit ein paar blauen Flecken mehr kommen wir aber schließlich an.
Noch am Abend bekomme ich dann die Nachricht, dass der Streik erst einmal beendet ist, sodass ich am Montag wieder mit nach Kisumu fahren werde. Ein bisschen enttäuscht bin ich schon. Nehme mir aber vor, nochmal für ein paar Tage nach Nairobi zu kommen, um mehr Zeit zu haben , die Stadt zu erkunden.

Der Montagmorgen startet mit einem typisch kenianischen Frühstück - Marmeladentoastbrot, Süßkartoffeln, ein gekochtes Ei, eine kleine warme Wurst, ein paar Stückchen Melone und einem Instantkaffee. Ein bunt zusammengewürfelter Mix, der erstmal für eine Weile satt macht.
Da wir erst ab um 10 zum Immigration Department können, machen wir uns vorher auf den Weg zur mexikanischen Botschaft, denn Roy braucht für seine Reise nach Mittelamerika in zwei Wochen auch noch ein Visum. Die Botschaft liegt idyllisch im Villenviertel in den Hügeln Nairobis.
Nach dem Anschlag auf die US-Botschaft 1998 sind hier alle jedoch ein bisschen sensibel. Also darf ich auf einem Plastestuhl vor den Toren warten, da eine bisher unbemerkte Gefahr von mir auszugehen scheint ;-) Mit afrikanischer Ruhe und Gelassenheit warte ich also darauf, dass Roy nach einer Stunde wieder rauskommt. Unterdessen winke ich Botschaftsmitarbeitern zu, die in ihrem Auto zur Arbeit kommen xD

Danach machen wir uns auf den Weg in die Stadt, um die Verlängerung meines Visums in Angriff zu nehmen. Nichts leichter als das, dachte ich und so folgt schon bald die Ernüchterung. Die erste Stelle, die wir deswegen ansteuern, fühlt sich nicht dafür zuständig und verweist uns an die Deutsche Botschaft - so ein Quatsch. Schlussendlich landen wir dann nach einigem Hin und her im Hauptgebäude der Verwaltung. Auch da müssen wir uns erst durchfragen, denn aus dem Plan vor dem Aufzug wird nicht ersichtlich, in welches Stockwerk wir sollen. Am Ende landen wir wieder im Eingangsbereich am Tresen, hinter dem zwei Männer in Camouflage sitzen, weil keiner weiß, wo wir hingehen können. Nachdem wir den beiden Herren unser Anliegen erzählen, finden wir endlich ein offenes Ohr. Einer der beiden kommt hinter dem Tresen hervor und nimmt uns beiseite. Noch einmal erzähle ich, dass ich aus Deutschland komme und mein Visum bis Ende Juli verlängern will. Er will 3000 KSh, also rund 30€ dafür haben und verschwindet dann mit meinem Pass. Ganz wohl ist mir nicht bei der Sache, mein Ausweisdokument aus den Händen zu geben. Und so erscheinen die zehn Minuten ewig, bis er damit wiederkommt, mit einem Stempel darin, der die Verlängerung bis zum 11.09. anzeigt.


Ich bin erleichtert, aber auch ein wenig verdutzt. Eigentlich wird nur um drei Monate verlangst- das Datum scheint willkürlich- und niemand wollte mein Rückflugticket sehen oder hat nach dem Grund der Verlängerung gefragt. Als Roy mir erzählt, dass der Typ ihn gefragt hat, ob er mich haben kann, um außer Landes zu kommen, wird mir einiges klar. Das war wohl mein Ritterschlag zum waschechten Afrikaner - ich habe einen Beamten geschmiert.
Habe ich vorher immer nur von Korruption berichtet, habe ich es nun am eigenen Leib erlebt - mit Geld ist alles möglich. Vielleicht wäre es auch auf legalem Wege gegangenen, hätte aber sicherlich länger gedauert. Und so bin ich am Ende doch glücklich, dass alles funktioniert hat, egal wie.

Nach einem Mittagessen geht es dann wieder zurück nach Kisumu - in einem Matatu. Da können mehr als sieben Stunden schon ziemlich lang werden. Vor allem bei einem Platz in der letzten Reihe in der Mitte. Reisebusse fahren nur am Morgen und in der Nacht, also bleibt uns nichts anderes übrig, wenn wir am Abend zurück sein wollen. Der Fahrer dreht die Musik so laut, dass man uns garantiert einen Kilometer vor und nach uns noch hören kann. Nach drei Stunden Diskobeschallung mit Gospelsongs habe ich dann langsam genug. Ich bin mir nicht sicher, ob der Fahrer das braucht, um selber nicht einzuschlafen oder weil er nicht mehr richtig hört. Danach habe ich jedenfalls einen vorübergehenden Höhrschaden.
Als ich auf dem letzten Metern nach Hause auch noch nasse Füße bekomme, weil es wie aus Kübeln gießt und sich auf dem Weg ein kleiner Fluss bildet, bin ich vollkommen fertig und mache drei Kreuze, dass ich wieder heil gelandet bin. Ich schlafe tief und fest und höre am nächsten Morgen den Wecker fast nicht.

Was mich auf der Arbeit erwartet und ob es auch in dieser Woche zu unvorhergesehenen Überraschungen kommt, das erfahrt ihr dann nächstes Mal.

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