Sonntag, 23. April 2017

Meine Woche auf der Gyn

Schon die zweite Woche arbeite ich jetzt auf der gynäkologischen Station. Wieder ist alles ein bisschen neu. Es gibt fünf Räume, in denen jeweils sechs Betten stehen, die meist voll belegt sind, im Laufe der Woche auch mal überbelegt - dann müssen sich zwei Patientinnen ein Bett teilen. Dienstag und Freitag gibt es eine große Visite, an der gefühlt alle Consultants, also Oberärzte, mindestens 20 Studenten, wir Ärzte und noch ein Großteil der Schwesternschüler und die Stationsschwester teilnehmen. Ich kann mich damit nicht so richtig anfreunden, gerade in den kleinen Räumen sind über 30 Personen echt anstrengend. Die Patientinnen werden von uns Ärzten oder den Studenten sehr ausführlich vorgestellt. So findet hier also auch Unterricht am Bett statt. Aber nicht jeder der Studenten interessiert sich verständlicherweise für das Fachgebiet.  Und so stehen die in den hinteren Reihen  und starren mehr auf ihr Handy oder verschwinden nach draußen. Ich finde es wieso eine Unart, dass private Gespräche hier auch während der Arbeit geführt werden, aber gut.
Bei einer voll belegten Station kann die Visite schon mal mehr als drei Stunden dauern. Danach beginnt dann das große Gewusel, da viele Blutentnahmen anstehen oder Untersuchungen angeordnet oder durchgeführt werden müssen. Für jede Blutentnahme muss zum Beispiel jedes Röhrchen einzeln beschriftet werden und dafür jede einzelne Laboranforderung mit den Patientendaten handschriftlich ausgefüllt werden. Am Ende werden dann doch nicht alle nötigen Sachen abgenommen oder die Anforderungen sind nicht vollständig ausgefüllt, weil die Studenten nicht wissen wie.

Auch in der Gyn sieht man, dass es an allen Ecken und Enden fehlt. Einen vaginalen Ultraschall gibt es nicht und noch nicht mal einen Untersuchungsstuhl. Die Patientinnen müssen auf eine Liege mit angebauten Fußstützen klettern. Ringsherum schauen dann vielleicht noch 5 Leute bei der Untersuchung zu, denn hier wird der Patient nicht gefragt, ob er das in Ordnung findet. Genauso wenig gibt es laparoskopische Operationsmöglichkeiten - das heißt über nur kleine Schnitte im Bauch mit einer Kamera - Schlüssellochtechnik sozusagen. Jede Patientin hat hier nach einer OP also eine riesen Narbe. Durch die fehlenden Ressourcen und Untersuchungsmöglichkeiten kommen einige Diagnosen aber eher durch raten und Wahrscheinlichkeiten zustande. Würde man in Deutschlands verschiedene Tests zur Absicherung machen, so wird die Diagnose hier einfach festgelegt.
Bestimmte Fälle, wie Brustkrebs oder urogynäkologische Krankheiten habe ich hier noch gar nicht gesehen. Ob das repräsentativ ist, kann ich allerdings nicht einschätzen, das werden die nächsten Wochen zeigen.
Ein Unterschied in der Ausstattung der Krankenhäuser besteht allerdings. Ich arbeite in einem Haus der Regierung, das ist zwar groß, aber es fehlt an allem. Es werden nur die billigsten Medikamnete verschrieben. Hat die Krankenhausapotheke sie nicht vorrätig, wird ein Rezept ausgestellt und der Patient muss es sich über die Angehörigen selbst besorgen. In privaten Häusern ist die Ausstattung wesentlich besser. Würde es mich hier mit Malaria erwischen, dann wird mich mein Weg also eher in ein privates Krankenhaus führen.

Auf der Station liegen auch Patientinnen, die fortgeschrittene Krebserkrankungen haben oder sich in einem fortgeschrittenen Stadium von HIV befinden. Menschen, die wir in Deutschland teilweise noch palliativ bestrahlen würden oder die auf eine Palliativstation gehören, weil sie dort intensivere Pflege und Unterstützung erhalten, liegen hier auf einer Normalstation. Teilweise ist es nach Versuchen von fünf verschiedenen Ärzten nicht möglich eine Flexüle zu legen, auf Grund der schlechten Gefäßverhältnisse. Bei uns hätten diese Patienten schon längst einen zentralen Zugang bekommen, sodass man sie beim Blut abnehmen nicht jedes mal piesacken muss oder auch um eine adäquate Ernährung zu gewährleisten. Aber so ein ZVK kostet natürlich Geld. Und da in Kenia für jede gesundheitsmedizinische Leistung bezahlt werden muss, können sich das viele nicht leisten. Nun hat nicht jeder eine Krankenversicherung und wenn, dann muss trotzdem zubezahlt werden. Ich habe mal eine Rechnung gesehen, es wird wirklich alles abgerechnet. Jede Tablette, Infusiun, das Essen, das Wechseln der Wäsche (alle müssen Krankenhausleibchen tragen) und eben die Untersuchungen. Das summiert sich dann natürlich. Umso ärgerlicher ist es natürlich, wenn diese umsonst gemacht werden oder Ergebnisse zu spät da sind. Operationen werden erst dann durchgeführt, wenn man vorher dafür bezahlt hat - unvorstellbar.
Auch ist nicht immer eine Therapie nach Leitlinie möglich, weil zum Beispiel genau das Medikament, das am besten wäre, zu teuer für die Patienten ist. So wie wir manchmal über die steigenden Krankenkassenbeiträge bei uns fluchen, können wir doch echt froh sein, überhaupt eine Versicherung zu haben, die solche Aufenthalte bezahlt.

In der Gyn gibt es nur zwei Op-Tage in der Woche. Wenn man nun am Vortag Blut abnimmt, da mm die Ergebnisse vor der Operation noch braucht und sie dann am nächsten Morgen noch nicht fertig sind, weil keiner im Labor Lust hatte die Sache zu bearbeiten, dann ist das mega ärgerlich. Was ist das bitte für eine Arbeitseinstellung?! So kommt es dann dazu, dass OP's verschoben werden müssen. Ein weiteres Problem stellt gerade die Knappheit an Blutprodukten dar. Auf der Station liegen bestimmt sechs Patientinnen, die eigentlich Blut brauchen würden. Die Quelle für Blutspenden sind hier aber Studenten. Da die Schulen aber gerade wegen der Ferien geschlossen sind, ist fast kein Blut vorhanden und das für den nächsten Monat - eine Katastrophe. Auf der Kinderstation haben sie dadurch in der letzten Woche zwei Kinder verloren - da blutet einem wirklich das Herz. In so einer Situation gibt es dann die Möglichkeit, dass Familienmitglieder oder Bekannte spenden. Da die Spende aber zum Überprüfen nach Nairobi geschickt wird, findet sie leider nicht immer den Weg zurück. Die Vermutung der Ärzte ist, dass auch da Korruption im Spiel ist und die Spenden an andere Häuser weiterverkauft werden - da fehlen einem wirklich die Worte.

Was manchmal ein bisschen anstrengend ist, sind die Arbeitsabläufe. Die könnte man viel effektiver gestalten, um mehr zu schaffen. Die Visite beginnt manchmal erst um zehn, dann ist man aber auch erst kurz vor eins fertig, wenn die Station voll belegt ist. Das Vorstellen der Patientinnen ist oftmals ein Krampf, da die Akten ein bisschen schlampig geführt sind. Jeder schreibt da etwas hin wo er will. Und dadurch, dass es handschriftlich verfasst ist, kann man nicht immer alles lesen. Es gibt zwar extra Blätter für Schwestern und Ärzte, ist der Patient aber länger da, sind diese aber auch durcheinander eingehoften oder liegen lose in der Akte. Nach der Visite muss man sich diese dann nochmal bei den Schwestern holen, weil keiner mitgeschrieben hat, was noch zu tun ist. Mit den Blutentnahmen kann man aber noch nicht anfangen, denn es ist Besuchszeit und die Verwandten sind da. In Deutschland hätte mich das nicht abgehalten, dann muss eben so lange draußen gewartet werden. Auch rennt man manchmal wegen jeder Blutprobe ins Labor, anstatt ein bisschen zu sammeln. Durch das späte Abnehmen kommen die Proben aber immer auch erst nachmittags ins Labor. Und dann wundert man sich warum die Ergebnisse am nächsten Tag noch nicht da sind.
Wenigstens bei manchen der angesprochenen Punkte konnte ich ein bisschen Stuktur in die ganze Sache bringen. Ob das allerdings auch so bleibt, wenn ich wieder weg bin, bezweifle ich.

Morgen stehen die "Nominations" hier in Kisumu an. Die Parteien wählen vor den Parlamentswahlen im August, wer überhaupt eine Chance hat, sich auf die begehrten Posten wählen zu lassen. Aus den Beiträgen im Fernsehen aus anderen Counties weiß ich, dass das ziemlich chaotisch werden kann. Ob ich also nach Bekanntwerden der Ergebnisse am Dienstag überhaupt auf Arbeit komme oder zu meiner eigenen Sicherheit besser zu Hause bleibe und warum Politik hier in Kenia ein großes Reizthema ist, mehr dazu nächste Woche...

1 Kommentar:

  1. Yo Jana!
    Super spannend was du hier beschreibst und in deinem Blog berichtest. Ich lese ihn sehr gerne.
    Manchmal klingt das generell leider etwas sehr negativ, freu dich doch ein bisschen über deine persöhnlichen Errungenschaften!!
    Bis bald!
    - Jens

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