Sonntag, 28. Mai 2017

Meine Woche mit Babys, Pharmavertretern und Tieren

Die Zeit vergeht wie im Flug – mittlerweile ist schon die zehnte Woche im Krankenhaus um.
Seit zwei Wochen bin ich auf der Wochenstation.

Oben zu sehen ein Teil der Wochenstation unten die gynäkologische Abteilung - mit Frischluftgarantie

Doch hier liegen nicht nur die Patientinnen nach einer normalen Geburt, sondern auch Frauen, die einen Kaiserschnitt hatten und kranke Schwangere. Dabei sind es ganz unterschiedliche Fälle, die man zu Gesicht bekommt, das reicht von Malaria und Bluthochdruck über Harnwegeinfektionen bis hin zur drohenden Frühgeburt. In 10 Räumen mit jeweils sechs Betten liegen dann die Patientinnen – nach der Geburt zusammen mit ihren Babys in einem Bett. Einen extra Raum für die Neugeborenen gibt es nicht. Bei so vielen kleinen Schreihälsen in einem Raum kann die Nacht dann schonmal ziemlich kurz werden. Nicht jede Mama hat ihr Baby aber bei sich – ist der Start ins Leben ein bisschen schwieriger gewesen, dann sind die Kleinen auf der Neugeborenenstation, wo sie bestmöglich versorgt werden. Dabei stehen aber nicht alle Mittel wie auf einer Intensivstation wie bei uns zur Verfügung. Während in Deutschland Frühgeburten ab der 24. Woche eine Überlebenschance haben, steigt die hier erst ab der 30. Woche – doch ein ziemlich großer Unterschied, der über Freude oder Leid entscheiden kann. Das Krankenhaus macht den neuen Erdenbürgern keine großen Geschenke, wie es sie manchmal bei uns gibt - ob ein Schlafsack oder Strampler. Das wäre bei einer Geburtenzahl von ca. 400 pro Monat auch ein bisschen zu teuer. Allerdings verteilt eine Schwester jeden Morgen eine Pampers. Auch hat nicht jede Familie das Geld für die neuste und hippste Babyausstattung und so muss das Neugeborene auch oft die viel zu großen Sachen seiner Geschwister auftragen.
Insgesamt sind es zwar mehr Patientinnen, die man kennen muss, es ist aber ein ruhigeres Arbeiten. Morgens sind wir meist erst gegen halb 9 da, weil vorher die Schwestern noch die Akten zur Übergabe haben. Die Visite ist in drei Stunden erledigt, dann schreibt man die Entlassungen. Keine im Computer verfassten Briefe wie in Deutschland, sondern eine A4 Seite, auf der die wichtigsten Patientendaten stehen und auf fünf Zeilen kurz das Geschehen zusammengefasst wird, zusammen mit der Entlassungsmedikation. Danach noch Blutentnahmen oder andere Untersuchungen und dann ist der Großteil der Arbeit schon getan. Es bleibt also genug Zeit auch mal ein kleines Pläuschchen zu halten und meist bin ich auch überpünktlich wieder zu Hause.
Ich habe bemerkt, dass hier ziemlich schnell Antibiotika verordnet werden. Mich würde es nicht schwer wundern, wenn viele der Menschen bereits Resistenzen entwickelt haben. Auf Nachfrage ist mir die Erklärung dafür nicht immer ganz schlüssig, aber diese Routine wird man wohl nur schwer durchbrechen können.

Von einer Sache bleibe ich jedoch auch hier nicht verschont – den gemeinen, oft nervigen Pharmavertreter gibt es auch in Kenia. Und wo ist wohl ein besserer Platz die meisten Ärzte abzufangen, als wenn sie alle zum Mittagessen zusammensitzen. Mit einem tollen Büchlein werden die Vorteile der neusten Medikamente angepriesen – für mich nichts Neues, ich kenne diese Mittel alle schon aus Deutschland. Danach muss jeder seine Telefonnummer angeben und verpflichtet sich die angepriesenen Medikamente in einer bestimmten Stückzahl zu verschreiben. Anschließend gibt’s noch einen Kulli, das Mittagessen und ein Erfrischungsgetränk spendiert – diese schleimige Vorgehensweise ist wohl überall auf der Welt die Gleiche.

Immer an den Tagen, wenn die große Visite mit den Oberärzten stattfindet, sieht man auch die Studenten auf Station. Mittlerweile kennt man die Gesichter und kommt auch mal ins Gespräch. Viele hören interessiert zu, wenn ich habe erzähle, wie das Studium bei uns in Deutschland ist, was die Unterschiede zum hiesigen Gesundheitssystem sind und wie die Jobchancen danach so stehen. Oft werde ich dann auch gefragt, ob ich Stipendienprogramme kenne und vermitteln kann. Spätestens wenn ich aber sage, dass man gut Deutsch sprechen muss, um in Deutschland zu arbeiten, ist das Interesse ganz schnell wieder verpufft. Wenn mir aber eine Studentin erzählt, dass sie nach der Beendigung ihres Studiums lieber im Büro arbeiten will, als ihn einem Krankenhaus der Regierung, weil die Verhältnisse einfach schlecht sind, dann gibt das einem doch schon zu denken. Das ist, als ob ein Lehramtsstudent nach abgeschlossenen Studium lieber im Schulamt arbeiten will, als in einer Schule. Aber gut, das sind Entscheidungen, die jeder selber treffen muss.

Darüber, dass ich die hiesige Krankenhausversorgung noch nicht austesten musste, bin ich mehr als glücklich. Die Moskitos scheinen mich zu lieben, das ist also nicht selbstverständlich. Als es mich letzte Woche mit einer fetten Erkältung dahingerafft hatte und das Thermometer auch noch 37,5°C angezeigte, wurde ich mal kurz panisch, ob nicht auch Malaria im Spiel ist. Bei der einmaligen Temperaturerhöhung ist es aber geblieben und so konnte verschwand die Erkältung so, wie sie gekommen war. Ein Kollege wollte mir gleich Antibiotika beschreiben, darauf konnte ich dankend verzichten.

Wenn wir uns  mal was Gutes tun wollen, dann gönnen wir uns irgendwo in der Stadt einen frischen Mangosaft – himmlisch. Ganz unverdünnt und ohne Zucker oder andere künstliche Zusätze. Das werde ich zurück wohl in Deutschland sehr vermissen. Ich könnte mich nur von Obst ernähren. Und so genieße ich es jedesmal in ein saftiges Stück einer riesigen Melone zu beißen oder mir nach der Arbeit ein Stück Ananas zu gönnen, das ich für nur ca. 10 Cent frisch geschnitten bekomme.

Abends auf einen frischen Mangosaft

Einmal die Woche Essen wir meist außerhalb – immer im gleichen „Restaurant“ und oft auch das Gleiche. Eine Karte gibt es nicht, das Angebot ist auf Hühnchen- und Ziegenfleisch, frisch auf unterschiedliche Art und Weise zubereitet, beschränkt, mit Ugali oder Pommes als Beilage. Manchmal sehne ich mich dann doch nach der Vielfalt an Nahrungsmitteln in Europa zurück. Ziegenfleisch habe ich mal probiert und das schmeckt gar nicht so schlecht wie gedacht – eher süßlich. Als ich auf Nachfrage berichte, dass es zwar in Deutschland auch Ziegen gibt, wir aber deren Fleisch in der Regel nicht essen, ernte ich Lachen und Kopfschütteln. Also Frage ich mich – warum eigentlich nicht? Die Antwort ist wohl, dass so eine Ziege nicht furchtbar viel Fleisch abwirft.

Allgemein ist das mit der Tierhaltung hier in Kenia so eine Sache. Ist man auf der Straße unterwegs, dann kann es auch passieren, dass einem ein paar Rinder, Schafe oder Ziegen vors Auto laufen oder gemütlich ein Päuschen mitten auf der Straße machen.


Die Tiere werden früh aus ihrem Gatter gelassen und müssen sich den Tag über dann selber kümmern, wie sie zu Futter kommen, wenn sie überhaupt jemandem gehören. Dass dabei auch oft im rumliegenden Müll an der Straße gewühlt wird, macht die Sache nicht unbedingt besser. So dürr und krank sehen einige von ihnen auch aus. Wie sie abends den Weg wieder nach Hause finden, ist mir ein Rätsel. Auf den Dörfern sieht man dann einzelne Tiere auch mal an einer langen Leine oder zusammengetrieben von einer Art Hirten. Tierschutz ist hier aber eher ein Fremdwort auch in der Stadt sind Hunde und Hühner in einem kleinen Kabuff eingesperrt und werden nach Belieben nach draußen gelassen. Manchmal stellen sich da echt meine Nackenhaare auf.

So werden die Hühner verkauft...

...und so im Matatu nach Hause transportiert

Die nächste Arbeitswoche wird kurz – am 1. Juni ist Nationalfeiertag. Da das auf einen Donnerstag fällt, war ich so frei mir den Freitag danach auch freizunehmen. Ich habe nochmal einen Trip nach Nairobi geplant. Nachdem ich das letzte Mal ja nur wegen der Verlängerung meines Visums da war, habe ich mir vorgenommen diesmal auch was von der Stadt zu sehen. Davon kann ich euch dann hoffentlich nächste Woche berichten…

Den Beitrag von letztem Sonntag über die Charityaktion haben bis jetzt übrigens mehr als 850 Leute gelesen. Wenn auch nur ein Bruchteil davon auch ein bisschen Geld spendet, würde mich das schon sehr glücklich machen - also werdet aktiv!

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