Dienstag, 18. April 2017

Ostern - von Enttäuschung und Freude

Wie groß war noch letzte Woche die Vorfreude auf meinen geplanten
3-Tages-Ausflug zum Mount Elgon über Ostern. Am Donnerstag mache ich nach der Arbeit auf den Weg zu Bikeventures um, wie angeraten, schon einmal zu bezahlen, damit wir am Freitag pünktlich starten können. Angekommen dann die große Ernüchterung - der Trip ist gecancelt, weil die drei anderen Teilnehmer plötzlich andere Pläne haben. Mir wird zwar eine Ausweichmöglichkeit angeboten, aber für nur 2 Tage zum gleichen Preis und alleine - ich lehne ab. Der Frust sitzt tief auf dem Rückweg nach Hause. Meine Email-Adresse war bekannt und nach der Arbeit hatte ich noch extra angerufen, wie lange sie offen haben - kein einziges Wort. Den Weg hätte ich mir sparen können. Zumal es bestimmt nicht erst seit Donnerstag bekannt war, dass die Sache uns Wasser fällt. Am Anfang der Woche hatte ich vielleicht noch etwas anderes planen können. Das ist so kurzfristig natürlich nicht mehr möglich. Das ärgert mich furchtbar - war es doch eine Möglichkeit endlich mal ein bisschen rauszukommen, was anderes zu sehen, sich ein bisschen zu bewegen und auch um nicht so oft daran zu denken, was zu Hause über die Feiertage so los ist.

Freitag machen wir uns dann auf den Weg zu Dans Eltern, so denke ich jedenfalls. Auf dem Weg dahin sammeln wir noch einige seiner Geschwister ein. Eigentlich fahren wir hier nie von A nach B, sondern legen immer mal noch einen Umweg ein um jemanden mitzunehen oder noch einzukaufen. So kommen wir erst relativ spät in Katito an. Dort hat sich schon ein Teil der Familie an einem zentralen Punkt versammelt, wir warten aber noch auf Nachzügler aus Nairobi. Anschließend geht es aber nicht wie von mir erwartet zum Grundstück von Dans Familie, sondern wir schlagen einen anderen Weg ein. Die Autofahrt zieht sich hin, teilweise geht es über ziemliche Holperpisten, die Sonne brennt unermüdlich vom Himmel. Dann kommen wir endlich an, von weitem sieht man schon Zelte. Meine erste Idee ist ein Karfreitagsgottesdienst, dann fällt mir ein, dass Dan und sein Vater zum Beispiel nicht der gleichen Kirche angehören. Als wir dann auf dem Gelände sind, sehe ich, dass wir uns auf einer Beerdigung befinden. Die finden hier meist erst vier Wochen nach dem Tod statt und haben eher den Charakter eines Festes. Nachdem wir am Sarg waren setzen wir uns auf Plastikstühle unter die Zelte. Es scheint eine Art Programm zu geben, da nur Suaheli gesprochen wird, verstehe ich aber nicht viel. Kaum sitzen wir, werden wir auch schon gebeten zum Essen zu gehen, all die anwesenden über hundert Menschen wollen hier nämlich auch noch verköstigt werden. Danach gehen wir mit Dan jedoch zum Auto zurück - wie sich auf nachfragen rausstellt, kennt er den Toten nicht einmal. Viele Familienmitglieder sind nur mitgekommen, weil es der Cousin von irgendjemandem ist. Ich bin ganz froh, nicht mehr zurück zu müssen, kommen doch in so einer Situation zwangsläufig Erinnerungen hoch, die ich gerne vermieden hätte. Am Ende sollen wir uns aber nochmal vorstellen kommen, denn natürlich bin ich als Weiße aufgefallen. Kennen mich in meinem Viertel mittlerweile die meisten, so bin ich außerhalb doch immer noch eine kleine Attraktion. Manchmal fühlt man sich da ein bisschen wie ein Zootier. Dann brechen wir auf. Der Heimweg dauert eine ganze Weile und so ist es doch schon fast dunkel, als wir nochmal an einem der vielen Carwash-Stationen in der Stadt anhalten. Das passiert hier nämlich alles noch manuell. Zu Hause angekommen falle ich fast augenblicklich ins Bett. Die Wärme die letzten Tage und der ausbleibende Regen machen mir doch ein bisschen zu schaffen. Dan hält noch Rücksprache mit seinem Bruder, wohin wir am Samstag vielleicht einen Ausflug machen können. Bei dem vielleicht bleibt es dann aber auch. Daran habe ich mich auch irgendwie schon gewöhnt. So dümpelt der Samstag ein bisschen vor sich hin, ich habe zu viel Zeit um zu überlegen und das Heimweh schlägt natürlich voll zu.

Am Sonntag machen wir uns auf zur Kirche. Auf dem Weg dahin fällt mir wieder auf, was ich die letzten Tage schon bemerkt habe. Auch an den Feiertagen haben die kleinen Geschäfte an der Straße offen, auch die Supermärkte von morgens um 8 bis Abend um 9. Da kommt nicht wirklich Festtagsstimmung auf. Ostertraditionen wie bei uns in der Lausitz gibt es hier nicht. Auch vom Osterhasen hat hier noch keiner was gehört - all der westliche Kommerz ist hier noch nicht angekommen. Wie sehr würde ich mich aber doch über einen Schokoladenosterhasen freuen. Schokolade ist hier eher rar, sicherlich wegen der Temperaturen, und wenn dann ist sie sehr teuer.
Nach der Messe sammeln wir dann noch Dans Bruder Ken mitsamt Familie ein und es geht tatsächlich zu einem Ausflug. Unser erstes Ziel nach circa einer Stunde Autofahrt ist die Felsformation Kit Mikayi. Einheimische nehmen uns in Empfang und führen uns auf den Felsen. Schnell merke ich, dass mein Rock und die Sandalen vielleicht nicht die richtige Kletterausrüstung sind. Mehr oder weniger elegant komme ich dann aber doch oben an. Dann bekommen wir etwas zu der Geschichte erzählt. Der Name heißt in der Sprache des um den Viktoriasees einheimischen Stammes der Luo "Stein der ersten Frau". Der Name geht auf eine Sage zurück, nach der ein Mann sich so in die Felsen verliebt hat, dass er viel Zeit dort verbrachte. Auf Nachfrage habe seine Ehefrau geantwortet, die auf ihn wartete, dass er bei seiner ersten Frau sei. Die Felsformation soll in ihrer Stellung auch an die polygamen Lebensweise der Luos erinnern, das Familienoberhaupt mit seinen Frauen und dem Erstgeborenen.




Unter den Felsen befinden sich aber noch kleine Höhlen, die heute noch von Anhängern der Sekte Legio Maria teilweise tagelang zum Beten genutzt werden. Grob zusammengefasst glauben sie an die Inkarnation Jesu als Schwarzer. Überall sieht man bunten Kerzenwachs. Plötzlich tönt ein Fiepen durch die Stille. Auf die Nachfrage, ob es diese Vögel auch in Deutschland gibt, kann ich bei genauerem Hinsehen bejahen, als ich die vielen kleinen Fledermäuse sehe. Rrrhhhh, schnell wieder raus da...
Auf den Bildern ist die Frau sehen, die zur Gründung der Sekte geführt hat.

Wieder unten angekommen warten Frauen auf uns, die uns mit Gesang und einem Tanz verabschieden wollen. Kaum habe ich zum Dank ein bisschen Geld in ihre MItte gelegt, habe ich auch schon einen ihrer Röcke umgebunden und tanze mit. Mir wird afrikanisches Rhythmusgefühl bestätigt ;-)



Nach einer kleinen Stärkung mit Chapati und heißem Tee geht es weiter. Mir ist es immer noch ein Rätsel, wie man bei solchen Temperaturen auch noch heißen Tee trinken kann...
Wir fahren zum Museum von Jaramogi Odinga Oginga, der eine bekannte Person im Freiheitskampf des Landes war, aber auch Vizepräsident und Oppositionsführer. Nach ihm ist übrigens auch das Krankenhaus benannt, in dem ich arbeite.
Auf dem Gelände befindet sich unter anderm ein Mausoleum, in dem er begraben liegt, der Familienfriedhof und in in seinem ehemaligen Wohnhaus eine kleine Ausstellung zu seinem Leben. Neben der originalen Schlafzimmereinrichtung kann man zum Beispiel auch Alltagsgegenstände aus dem Leben der Luos sehen. Leider ist die Erklärung dazu meist ein bisschen spärlich, Dan kann mir jedoch ein bisschen was erklären. Trotzdem wäre eine kleine Führung noch ein bisschen schöner gewesen. Man kann die Gedenkstätte, die seine Familie der Nationalen Museumsvereinigung zur Verfügung gestellt hat, natürlich nicht mit dem Standart in europäischen Museen vergleichen, trotzdem war es doch ein ziemlich schöner Ausflug.







Auf dem Rückweg in die Stadt halten wir nochmal an der Straße an, sofort sind wir von vielen Frauen umgeben, die uns alle möglichen Kleinigkeiten verkaufen wollen - von Süßigkeiten über Obst bis zu Zuckerrohr.


Zum Tagesabschluss gibt es dann noch Geburtstagskuchen und ein bisschen Wein bei Ken zu Hause, denn seine Frau hatte Geburtstag. Der Kuchen ist so trocken wie Sandkuchen, ringsherum ist ganz viel Sahne. Selbst gebacken wird hier nicht, die einzelnen Zutaten sind zu teuer. Kuchen kann man hier fertig im Supermarkt kaufen.

Am Montag sind wir dann doch nochmal bei Dans Familie zu Hause. Sein Vater hat als ehemaliger Lehrer Kollegen eingeladen. Doch auch ein Großteil der Familie ist da - mit seinen 3 Frauen hat er ja insgesamt 19 Kinder, die teilweise schon mit ihren Enkeln auch auf dem Grundstück wohnen. Neben gutem Essen vergeht der Tag ganz in Ruhe. Langsam gewöhne ich mich auch mal an das Nichtstun. Leider fange ich mir auch den ersten fetten Sonnenbrand hier ein, weil es am Morgen bewölkt war und eher nach Regen aussah und ich mich deshalb nicht eingecremt habe.

Gruppenbild am Ende

Da ich seit der vergangegnen Woche auf der gynäkologischen Station arbeite, gibt es jetzt wieder ganz neuen Input in vielerlei Hinsicht. Mehr dazu dann aber im nächsten Eintrag...










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