Samstag, 18. März 2017

Karibu Kenya

Noch am Tag meiner Ankunft bekomme ich einen ersten Eindruck vom afrikanischen Leben. Es ist Samstag und Freunde meiner Gastfamilie geben eine Feier zum dritten Geburtstag ihrer Tochter Keyla. Vorher muss natürlich noch ein Geburtstagsgeschenk gekauft werden. Am Eingang des Supermarktes stehen Securitys und kontrollieren uns - das ist hier normal. Die Entscheidung fällt auf eine Barbie, die nach dem Bezahlen mit dem Stück gekauften Geschenkpapier auch noch eingepackt wird - wie praktisch. Dazu kommt noch eine von meinen mitgebrachten Haribopackungen und eine Geburtstagskarte in A5, die schon vorgeschrieben ist, wie alle Karten hier.
Anschließend fahren wir in das Dorf außerhalb der Stadt. Nur die großen Hauptstraßen sind hier befestigt. Immer wieder befinden sich große Huckel über die ganze Straße, über die man super langsam fahren muss, damit es einem den Unterboden nicht aufreißt. Eine natürliche Methode schnelles Fahren zu bekämpfen. 
Der Rest ist Buckelpiste, im wahrsten Sinne des Wortes. Da kann eine Strecke von 15 Kilometern schonmal eine halbe Stunde dauern. Anschnallen wird überbewertet, genauso wie das Telefonieren am Steuer - jeder Deutsche Verkehrspolizist hätte hier seine größte Freude. Angekommen werde ich erstmal allen vorgestellt und willkommen geheißen - Karibu.

Mein erstes Essen hier ist traditionell kenianisch. Mir wird der Teller so vollgepackt, dass ich bezweifle alles zu Schaffen. bei Temperaturen über 30 Grad ist mein Hunger auch nicht gerade riesig. Vorher aber noch Hände waschen mit Wasser aus dem Kanister, schließlich wird mit den Händen gegessen. Es gibt Reis, Chapati(ein flaches Weizenbrot, das ähnlich zu unseren Plinsen daheim ist), Ugali (ein Maisbrei, der von der Konsistenz von Porridge bis zu festem Teig alles abdecken kann), Kartoffeln in roter Soße, grünes Gemüse, dass ähnlich wie Spinat aussieht, sowie Hähnchenschenkel und Rind. Das Essen mit den Händen ist am Anfang noch komisch, wird aber schnell zur Gewohnheit. Dazu gibt's stilles Wasser, abgekocht oder aus der Flasche. Danach werden die Geschenke übergeben, ein Geburtstagskuchen angeschnitten, angestoßen und ein Ständchen gesungen. Also sehr ähnlich zu einem deutschen Kindergeburtstag.

Die kleine Amber hatte als einzige keine Angst vor mir.

Das Geburtstagskind Keyla auf ihrem Thron

Getrunken wird hier alles, was die Coca Cola Company zur Verfügung stellt, Fanta gibt es sogar in unterschiedlichen Sorten. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig, da ich sonst nicht auf so süße Getränke stehe.
Vor dem Essen, zum Anstoßen und auch sonst jeder erdenklichen Möglichkeit wird hier ein Gebet gesprochen. Für mich ja aber nichts unbekanntes.
Wieder zurück in der Wohnung bin ich doch ziemlich platt. Die Aufregung und der wenige Schlaf zerren an den Nerven. Vorm Schlafen gehen aber noch eine Dusche. Das funktioniert hier folgendermaßen: Wasser, auch zum ab- oder Hände waschen, kommt aus einem Riesen Tank auf dem Dach. Ergo ist es kalt bzw. höchstens lauwarm. Bei den Temperaturen draußen aber auch nicht schlimm. Danach lege ich mich das erste Mal unter dem Moskitonetz schlafen.

Am Sonntag weckt mich irgendwann die heiße Morgensonne, die direkt in mein Zimmer scheint. Außerdem kommt von draußen ein ziemlicher Krach. Ganz in der Nähe scheint eine Messe zu sein, die gefühlt 3 Stunden dauert. Der Geistliche brüllt schon fast ins Mikrophon und wiederholt sich andauernd, damit die Botschaft auch ja hängen bleibt. Zwischendurch immer wieder gospelartiger Gesang. 82% der Kenianer sind Christen. Viele gehören zu den protestantischen Freikirchen. 12% sind Muslime, auch hier in Kisumu haben ich schon eine Mosche gesehen. Der Rest sind Hindus oder Naturreligionen.
Zum Frühstück gibt es Vollkorntoast, das hier braunes Brot genannt wird - was für eine Ironie. Und Chai, der mit viel Milch und Gewürzen in einem großen Topf gekocht wird. Ich trinke gerne Tee, doch das ist wirklich eine neue Erfahrung.
Anschließend fahren wir in das Dorf, aus dem Dancan kommt. Sein Vater hat dort ein riesiges Grundstück auf dem er mit seinen 3!!! Frauen und den gemeinsamen Kindern lebt. Ich werde super freundlich empfangen und bereits nach kurzer Zeit als Tochter der Familie bezeichnet. Zum Haushalt gehören noch 6 Hunde, Hühner und Ziegen, Schafe und Kühe. Der Unterschied zur Stadt wird hier jedoch schnell deutlich. Gekocht wird in einem extra Raum über einer Feuerstelle, die Toilette ist ein Loch in der Erde, geduscht wird mit einem Eimer Wasser und in den Hütten kann man sich gefühlt einmal um sich selbst drehen. Die meisten deutschen Kinderzimmer sind wahrscheinlich größer.
Als wir am Abend zurück sind, läuft noch ein bisschen der Fernseher. Neben Politik, die hier den Alltag ziemlich beherrscht (im August sind Wahlen), kommen viele Daily Soaps. Wie im Alltag merke ich auch hier, dass nicht nur Englisch gesprochen wird. Die Kinder lernen hier erst Suaheli und dann Englisch. Wenn ich also ein bisschen was verstehen will, dann werde ich wohl wenigstens die Grundlagen der Sprache lernen müssen. Jana heißt in Suaheli übrigens gestern. Das J wird aber eher wie ein weiches dsch ausgesprochen. Deshalb muss ich auch öfter erklären, wie ich heiße. Bloß gut, dass ich da nicht mit meinem Nachnamen anfange ;-).

Am Montag soll mein erster Arbeitstag sein. Daraus wird aber nichts. die Direktorin des Krankenhauses ist gerade in einer Besprechung. Roy will nicht so lange warten, also gehen wir wieder. Am Mittwoch dann der nächste Versuch. Aber auch da schaffen wir es nicht bis ins Büro. Die Ärzte hier haben landesweit bis zum Vortag seit 100 Tagen gestreikt und kehren erst langsam wieder an ihren Arbeitsplatz zurück. Nur langsam normalisiert sich wieder alles, wenn man überhaupt von Normalität sprechen kann. Wir sollen am kommenden Montag wiederkommen. Ich bin wirklich sehr gespannt, was mich dann erwarten wird.

Den Rest der Woche verbringe ich mit Roy und einem Freund von ihm auf Veranstaltungen, die von Vereinen organisiert werden, die Bildung für Jugendliche und junge Erwachsene anbieten. Es geht um Themen wie Menschenrechte oder wie baue ich mein eigenes Business auf. Es ist wirklich interessant zu sehen, wie aktiv die jungen Menschen dabei sind und mitmachen. Jeder deutsche Schüler könnte sich davon eine Scheibe abschneiden.

Eric hat die Seminare mitgestaltet

Zusammen mit Roy, meinem Ansprechpartner hier vor Ort.


Das Interesse an mir ist ziemlich groß, besonders bei den Jungs. Bestimmt drei Heiratsanträge musste ich schon dankend ablehnen xD. Als Weiße (Muzungu) bin ich eine große Attrkation, mir werden Löcher in den Bauch gefragt und ich muss natürlich für gefühlt tausende Selfies herhalten.


Bei den vielen Fragen wird mir bewusst, wie selbstverständlich wir viele Dinge erachten, die hier einfach anders laufen. Die Pünktlichkeit ist wohl so ein Beispiel. Warten habe ich hier schon in der ersten Woche gelernt. Es können schon mal zwei Stunden vergehen, in denen einfach nichts vorwärts geht. Mittlerweile habe ich immer was in meiner Tasche dabei, um die Zeit rin bisschen rumzukriegen. Auch über die bequeme Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs in Deutschland kann ich nur schmunzeln. Es gibt hier Motorrad- und Fahrradfahrer (die Gepäckträger sind mit bequemen Sitzkissen ausgestattet), Rikschas und Matatus - Kleinbusse, die bis zum Erbrechen voll werden können. Ausgelegt für 15 Personen können aber schonmal 20 drinsitzen. Das kann ziemlich kuschelig werden. Eine Fahrt in die Stadt kostet 20 oder 30 Kenya Shilling, umgerechnet circa 20 bzw. 30 Center. Überlandfahrten sind mit 1,50-2€ auch nicht viel teurer. Dann wir auch alles mögliche auf dem Dach transportiert, Matratzen oder andere ausladende Einkäufe. Auch auf ein Motorrad passen 4 Personen, es ist ein Wahnsinn! Ich habe mir sogar sagen lassen, dass auch 5 Personen schon darauf gesichtet wurden, unvorstellbar. 
Alleine kann ich mich in der Stadt noch nicht bewegen, das schränkt mich ziemlich ein. Ich hoffe das wird in der nächsten Zeit besser. Aber mit meiner Orientierung ist es auch nicht soweit her. Zu gerne würde ich mal ein bisschen zu Fuß unterwegs sein.

Wer eins hat, scheint hier aber fast alle Wege mit dem Auto zurückzulegen. Das es hier nicht andauernd Unfälle gibt, wundert mich, bei der Fahrweise der meisten. Den Gedanken zu laut ausgesprochen, passiert es uns dann selbst. Gestern Abend auf dem Rückweg von Dan's Eltern fährt uns bei Starkregen einer hinten auf. Zwar nicht mit allzu hoher Gesschwindigkeit, es gibt aber trotzdem einen ordentlichen Rumms. Ich schätze mal das gibt Kopf- und Nackenschmerzen die nächsten Tage. Wir könnten theoretisch weiterfahren, doch auch vor uns scheint es einen Unfall gegeben zu haben. Schnell bildet sich ein Stau. Eine Rettungsgasse kennt hier niemand. Und so kommt die Ambulanz auch zunächst nicht durch. Es geht nichts vorwärts. Dan meint, wir müssen uns auf eine Nacht auf der Straße einstellen. Meiner Blase und meinem Kopf gefällt der Gedanke nicht sonderlich. Ich versuche es mir auf der Rückbank gemütlich zu machen, aber mit dem Schlafen wird es nichts, draußen meinen alle eine Meinung zum weiteren Vorgehen zu haben. Nach 4 Stunden geht es dann schließlich doch weiter. Ich bin ziemlich erledigt, das hat mich doch alles ziemlich mitgenommen.

Das Abendprogramm besteht in de Regel aus Fernsehen. Auch tagsüber starren alle auf ihren Bildschirm, das Handy, schreiben Nachrichten oder telefonieren. Es ist fast noch schlimmer als in Europa. Das kann aber auch daran liegen, dass es WLAN hier nur un Hotels und guten Bars gibt. Also muss alles über das Handy geregelt werden. Ziemlich anstrengend, wie ich finde. Für 3 GB bezahle ich10 Euro. Mal schauen, wie lange ich damit hinkomme.

Was die Afrikaner hier definitiv haben, ist ein riesiges Müllproblem. Das es keine Mülltrennung gibt wie bei uns, konnte ich mir ja fast schon denken. Aber hier wird unterwegs einfach alles dort fallen gelassen wo man gerade ist. Dementsprechend sieht es auch überall aus.


Mit dem Regen wird dann alles nochmal schön überall hingespült. Das das meiste davon aus Plaste ist, bleibt es wahrscheinlich auch ewig liegen. Sowas wie eine Müllentsorgung über die Stadt scheint es nicht zu geben.

Mein Gaumen und auch der Rest des Körpers hat sich ziemlich schnell an das Essen hier gewöhnt. Eine nette Abwechslung diese Woche war frischer Fisch aus dem See, ohne viel Schnickschnack in Tomaten und Zwiebeln gedünstet - super lecker.

Tilapia (Barsch) und Ugali

Zum Frühstück gab's auch mal Fruchtkuchen. Doch Achtung, das ist eine arge Täuschung. Nicht immer ist das was drauf steht das, was sich der gemeine Deutsche drunter vorstellt. Am Ende war es ein Blätterteig mit eine schokoartigen Schicht dazwischen. Ein bisschen trocken, aber ok.

Die Sonne geht hier um 7 unter, eine richtige Dämmerung gibt es nicht, es wird schnell dunkel. Schließlich befinden wir uns auf Höhe des Äquators. Dann müssen die Fenster geschlossen oder das Licht ausgemacht werden, sonst sind schnell die Moskitos da. Mittlerweile habe ich schon ziemlich viele Stiche gesammelt. Sie jucken aber nicht so sehr, wie bei unseren einheimischen Mücken. Wie gut die Malariaprophylaxe wirkt, die ich jeden Tag einnehme, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.

An einem Abend gab es auch schon einen ziemlich heftigen Regenschauer, die Welt geht buchstäblich unter. Die unbefestigten Straßen verwandeln sich in Matschlandschaften und werden teilweise unpassierbar. Ich kann erahnen, was in der Regenzeit ab Ende des Monats auf mich zukommt. Vielleicht sollte ich mir doch Gummistiefel zulegen.

Wie meine erste Arbeitswoche läuft, davon kann ich dann hoffentlich nächste Woche berichten...


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